ZU EINEM GEMÄLDE DES PAULUS POLTER
VON GEORG POENSGEN
Die überragende Stellung des Paulus Potter in der holländischen Malerei des
l 7. Jahrhunderts ist begründet durch die Frische und Natürlichkeit seiner Tier-
und Landschaftsbilder, den liebevollen Fleiß, mit dem er seine Naturbeobach-
tungen bis ins Kleinste durcharbeitet, und den ganz seltsamen, melancholischen
Stimmungsgehalt, den er der derben Gesundheit seiner holländischen Fleimat
zu entlocken weiß. Trotz der relativen Beschränktheit seines Schaffensbezirkes
neben Albert Cuyp, Adriaen v. d. Velde und anderen Landschaftern ihrer Art
ist er der größte Tiermaler Flollands. Mit seinem berühmten Stier in Maurits-
huis hat er ein Gemälde geschaffen, das stets als ein Hauptdenkmal nieder-
ländischer Malerei neben den Werken von Rembrandt, Rubens und Frans Hals
seinen Platz behaupten wird.
Betrachtet man das für einen mit 29 Jahren verstorbenen Künstler recht um-
fangreiche Oeuvre Potters isoliert für sich, so ist man zwar bald ernüchtert an-
gesichts der wenigen wirklich erstklassigen Werke, die er, durch Geldsorgen
und Krankheiten beengt, hervorbringen konnte. Auch fehlen deutliche Fix-
punkte seiner Entwicklung. Man sieht keinen Anfang und kein Ende und
wagt sich nicht einzugestehen, daß man mehr erwartet hatte.
Um Potter richtig einzuschätzen, muß man einige Kabinettstücke seines Werkes
mit eben jener Muße und Unvoreingenommenheit betrachten, mit denen der
Maler sie in glücklichen Momenten konzipierte. Dann wird alsbald die wunder-
volle Daseinsfreude, die den Künstler angesichts eines baldigen Todes nur selten
überkam, dem Beschauer zu einem großen Erlebnis. Eine tiefe Ruhe und das
feste Vertrauen eigener Könnerschaft vermitteln ein ausnahmslos persönliches
Verhältnis zu solchen Werken, und machen sie in ihrer Seltenheit erst recht
wertvoll.
Neuerdings ist aus der Sammlung De Ridder eine Ruinenlandschaft mit Vieh
in den Berliner Kunsthandel gekommen1, deren hohe Qualität in farblicher und
kompositioneller Hinsicht sofort anspricht und Potter von seiner besten Seite
zeigt. Das Gemälde (s.Tafel), auf Holz, 57X47 cm, mit voll ausgeschriebener
Signatur sowie der Jahreszahl 1647 links unten in der Ecke versehen, stellt
eine Gruppe von Rindern und Ziegen am Wasser vor einer bewaldeten Anhöhe
des Vordergrundes dar. Links, jenseits des Wassers, ein altes Gemäuer, im
Hintergrund der Ausblick auf eine weite, bläulich-grüne Flachlandschaft.
Es zeigt sich hier, daß Potter, je nach Stimmung und unbeirrt durch die All-
gemeinentwicklung, gelegentlich auf eine Darstellungsweise zurückgriff, die
er längst hatte fallen lassen. Allein der Grad der Intensität, mit dem die alter-
tümlich anmutende Komposition verarbeitet ist, hat sich gewandelt, und wo
in der Frühzeit religiöse Themen die Darstellung bestimmten, liegt nun der
Hauptakzent auf dem poetischen Reiz des beschaulichen Beisammenseins der
Tiere in einer ungewöhnlich reichen Landschaft. Interessant ist in diesem Zu-
sammenhang der Vergleich mit einer Radierung des Künstlers (s. Abb. S. 598),
deren erste Fassung vom Jahre 1645 sechs Jahre später neu überarbeitet und in
eben jener Weise konzentriert wurde wie unser Bild.
1 H. d. G. Nr. 177I vgl. Bode, Rembrandt und seine Zeitgenossen. 2. Aufl. S. 179.
597
VON GEORG POENSGEN
Die überragende Stellung des Paulus Potter in der holländischen Malerei des
l 7. Jahrhunderts ist begründet durch die Frische und Natürlichkeit seiner Tier-
und Landschaftsbilder, den liebevollen Fleiß, mit dem er seine Naturbeobach-
tungen bis ins Kleinste durcharbeitet, und den ganz seltsamen, melancholischen
Stimmungsgehalt, den er der derben Gesundheit seiner holländischen Fleimat
zu entlocken weiß. Trotz der relativen Beschränktheit seines Schaffensbezirkes
neben Albert Cuyp, Adriaen v. d. Velde und anderen Landschaftern ihrer Art
ist er der größte Tiermaler Flollands. Mit seinem berühmten Stier in Maurits-
huis hat er ein Gemälde geschaffen, das stets als ein Hauptdenkmal nieder-
ländischer Malerei neben den Werken von Rembrandt, Rubens und Frans Hals
seinen Platz behaupten wird.
Betrachtet man das für einen mit 29 Jahren verstorbenen Künstler recht um-
fangreiche Oeuvre Potters isoliert für sich, so ist man zwar bald ernüchtert an-
gesichts der wenigen wirklich erstklassigen Werke, die er, durch Geldsorgen
und Krankheiten beengt, hervorbringen konnte. Auch fehlen deutliche Fix-
punkte seiner Entwicklung. Man sieht keinen Anfang und kein Ende und
wagt sich nicht einzugestehen, daß man mehr erwartet hatte.
Um Potter richtig einzuschätzen, muß man einige Kabinettstücke seines Werkes
mit eben jener Muße und Unvoreingenommenheit betrachten, mit denen der
Maler sie in glücklichen Momenten konzipierte. Dann wird alsbald die wunder-
volle Daseinsfreude, die den Künstler angesichts eines baldigen Todes nur selten
überkam, dem Beschauer zu einem großen Erlebnis. Eine tiefe Ruhe und das
feste Vertrauen eigener Könnerschaft vermitteln ein ausnahmslos persönliches
Verhältnis zu solchen Werken, und machen sie in ihrer Seltenheit erst recht
wertvoll.
Neuerdings ist aus der Sammlung De Ridder eine Ruinenlandschaft mit Vieh
in den Berliner Kunsthandel gekommen1, deren hohe Qualität in farblicher und
kompositioneller Hinsicht sofort anspricht und Potter von seiner besten Seite
zeigt. Das Gemälde (s.Tafel), auf Holz, 57X47 cm, mit voll ausgeschriebener
Signatur sowie der Jahreszahl 1647 links unten in der Ecke versehen, stellt
eine Gruppe von Rindern und Ziegen am Wasser vor einer bewaldeten Anhöhe
des Vordergrundes dar. Links, jenseits des Wassers, ein altes Gemäuer, im
Hintergrund der Ausblick auf eine weite, bläulich-grüne Flachlandschaft.
Es zeigt sich hier, daß Potter, je nach Stimmung und unbeirrt durch die All-
gemeinentwicklung, gelegentlich auf eine Darstellungsweise zurückgriff, die
er längst hatte fallen lassen. Allein der Grad der Intensität, mit dem die alter-
tümlich anmutende Komposition verarbeitet ist, hat sich gewandelt, und wo
in der Frühzeit religiöse Themen die Darstellung bestimmten, liegt nun der
Hauptakzent auf dem poetischen Reiz des beschaulichen Beisammenseins der
Tiere in einer ungewöhnlich reichen Landschaft. Interessant ist in diesem Zu-
sammenhang der Vergleich mit einer Radierung des Künstlers (s. Abb. S. 598),
deren erste Fassung vom Jahre 1645 sechs Jahre später neu überarbeitet und in
eben jener Weise konzentriert wurde wie unser Bild.
1 H. d. G. Nr. 177I vgl. Bode, Rembrandt und seine Zeitgenossen. 2. Aufl. S. 179.
597