OSTASIATISCHE KUNST AM BERLINER MARKT
VON ALFRED SALMONY
I.
Man verrät kein Geheimnis, wenn man feststellt, daß sich der deutsche Kunst-
markt für Ostasien in den ersten Nachkriegsjahren in starker Abhängigkeit von
Paris und London befand. Erst die jüngste Entwicklung hat zur Wiederher-
stellung direkter Einfuhr aus dem Osten geführt und damit Berlin erneut in
den Mittelpunkt des fnteresses für ostasiatische Kunst gerückt. Äußerlich doku-
mentierte sich dieser Wandel dadurch, daß sich die bekannten Ostasienhändler
in einem Stadtteil, fast in einer Straße (Bellevuestraße—Tiergarten) neu und
prächtig einrichteten. Berlin besitzt jetzt eine Art »Rue de la Boetie«, eine An-
ziehungskraft ersten Ranges auf einem zur Zeit international besonders begehrten
Kunstgebiet.
Der Name Dr. Otto Burchard verpflichtet die Kunsthandlung, bildet doch seine
Privatsammlung einen Glanzpunkt der nahen Ostasienabteilung der staatlichen
Museen. Aus seiner Eröffnungsausstellung 1927 sollen im folgenden einige
besonders interessante Stücke besprochen werden.
Das Hauptinteresse der Sammler gehört seit langem der ältesten Kunst Chinas,
ln Ostasien selbst werden Bronzen der vorchristlichen Jahrhunderte am höchsten
bewertet. Das Gebiet ist frei-
lich besonders schwierig zu
bearbeiten. Patina, Form-
gebung und Zeichnung ent-
scheiden. Ein Stück, das im
Muster zögernde, unsichere
Linienführung zeigt, kann
nicht alt sein. Echte Stücke
der Mitte des vorchristlichen
Jahrtausend (frühere Datie-
rungen lassen sich höchstens
gefühlmäßig rechtfertigen)
gehören zu den größten Sel-
tenheiten. Ein Gefäß zum
Aufbewahren des Opferweins
— chinesisch Tsun — (Abb. 1)
verdient wohl der zweiten
Hälfte des vorchristlichen
Jahrtausend zugewiesen zu
werden. Die Form hat noch
die Kraft der archaischen
Epoche. Nur das Mittelstück
zeigt Schmuck und zwar eine,
Tiermaske in ornamentaler
Auflösung mit plastisch auf-
modellierten Details. Aus dem
Abb. I. Weingefäß. China. Mitte des vorchristlichen Gefüge des Musters ergibt
Jahrtausends. Bronze Höbe 25 cm sich die Möglichkeit seiner
538
VON ALFRED SALMONY
I.
Man verrät kein Geheimnis, wenn man feststellt, daß sich der deutsche Kunst-
markt für Ostasien in den ersten Nachkriegsjahren in starker Abhängigkeit von
Paris und London befand. Erst die jüngste Entwicklung hat zur Wiederher-
stellung direkter Einfuhr aus dem Osten geführt und damit Berlin erneut in
den Mittelpunkt des fnteresses für ostasiatische Kunst gerückt. Äußerlich doku-
mentierte sich dieser Wandel dadurch, daß sich die bekannten Ostasienhändler
in einem Stadtteil, fast in einer Straße (Bellevuestraße—Tiergarten) neu und
prächtig einrichteten. Berlin besitzt jetzt eine Art »Rue de la Boetie«, eine An-
ziehungskraft ersten Ranges auf einem zur Zeit international besonders begehrten
Kunstgebiet.
Der Name Dr. Otto Burchard verpflichtet die Kunsthandlung, bildet doch seine
Privatsammlung einen Glanzpunkt der nahen Ostasienabteilung der staatlichen
Museen. Aus seiner Eröffnungsausstellung 1927 sollen im folgenden einige
besonders interessante Stücke besprochen werden.
Das Hauptinteresse der Sammler gehört seit langem der ältesten Kunst Chinas,
ln Ostasien selbst werden Bronzen der vorchristlichen Jahrhunderte am höchsten
bewertet. Das Gebiet ist frei-
lich besonders schwierig zu
bearbeiten. Patina, Form-
gebung und Zeichnung ent-
scheiden. Ein Stück, das im
Muster zögernde, unsichere
Linienführung zeigt, kann
nicht alt sein. Echte Stücke
der Mitte des vorchristlichen
Jahrtausend (frühere Datie-
rungen lassen sich höchstens
gefühlmäßig rechtfertigen)
gehören zu den größten Sel-
tenheiten. Ein Gefäß zum
Aufbewahren des Opferweins
— chinesisch Tsun — (Abb. 1)
verdient wohl der zweiten
Hälfte des vorchristlichen
Jahrtausend zugewiesen zu
werden. Die Form hat noch
die Kraft der archaischen
Epoche. Nur das Mittelstück
zeigt Schmuck und zwar eine,
Tiermaske in ornamentaler
Auflösung mit plastisch auf-
modellierten Details. Aus dem
Abb. I. Weingefäß. China. Mitte des vorchristlichen Gefüge des Musters ergibt
Jahrtausends. Bronze Höbe 25 cm sich die Möglichkeit seiner
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