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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 11
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Kunst-Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0381

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KUNST-LITERATUR

MAX J. FRIEDLÄNDER: DIE ALTNIEDER-
LÄNDISCHE MALEREI. 4- Band. Hugo
van der Goes. 1926 bei Paul Cassi-
rer, Berlin
Von dem grundlegenden, auf rund 12 Bände
berechneten Werk Friedländers ist im letzten
Jahre der vierte Teil „Hugo vander Goes“
erschienen, der ausschließlich diesem Meister
und der Betrachtung seiner Nachfolger ge-
widmet ist. Man möchte auch von diesem
neuen Band des nunmehr sechzigjährigen
Forschers und Kenners, dessen Arbeit einen
Ruhmestitel deutschen Gelehrtentums verkör-
pert, so gern in Superlativen reden (und wahr-
lich hier wäre einmal der Rezensent, solchen
Zeugnisses froh, vor der Zeit wirklich ge-
rechtfertigt), aber Friedländers Leistung ist
mit solchem rückhaltlosen Bekenntnis allein
nicht zu fassen. Die wissenschaftliche und
schriftstellerische Überlegenheit dieses Kenners
wirkt in ihrer scheinbar kühlen Sachlichkeit,
die so viel innere Flamme verdeckt, von allen
anderen Vorzügen zu schweigen, als Ausdruck
edlen Menschentums ergreifend. Denn hier
kommt es viel weniger auf die Akribie des
Kenners an. Der kunstwissenschaftlich funda-
mentale Teil des neuen Bandes erhärtet nur,
was an dieser Stelle schon über die ersten
Bände gesagt wurde. Friedländer hat van der
Goes der Gegenwart zurückgewonnen und das
Oeuvre innerhalb der Überlieferung neu ge-
gründet, Dokumente und Quellen haarscharf
gesichtet. Aus den nur i/j Jahren des van der
Goesschen Schaffens steht das Werk als sol-
ches in allen Einzelheiten und in dem, was
es nach rechts und links vermittelte, vor uns.
Portinari-Altar ist der Höhepunkt. Friedländer
konstruiert nicht Vergangenheit, er lüftet den
Schleier über den Dingen. Er sucht nicht
künstlich kulturhistorische Kombinationen,
sondern läßt dem Leser die Freiheit, aus der
Fülle der Tatsachen selbst ins Universale vor-
zusloßen. Mit jener seltenen Reife klassischen
Sprachgefühls begnadet, ist F. mehr zurück-
haltend als draufgängerisch und jedem Äs-
thetizismus abhold, der letzten Endes mit dem
Akt schöpferischer Energie nichts zu tun hat,
sondern nur Notbehelf der Nachgeborenen ist.
Liest man diesen neuen Band, bestätigt sich,
was alle Arbeiten aus der gleichen Feder seit
einem Jahrzehnt längst erwiesen haben: Wer
so souverän über der Materie steht, hat die
Einfachheit der sinnlichen Konstruktion. Diese
Art, dieser Stil, zu schreiben und die Dinge
zu begreifen, ist aber durchaus ein Novum

innerhalb der kunstwissenschaftlichen Litera-
tur. Er gehört zur Persönlichkeit und hätte
die Berufung, Schule zu machen.
Es ist nicht Sache des Referenten, aus einem
Blatt voll von Notizen, die hei der Lektüre des
Buches aufgezeichnet wurden, diese oder jene
Tatsachen besonders herauszuheben oder gar
Einzelheiten zur Diskussion zu stellen, wo
Kritik als solche überhaupt nicht möglich ist.
Viel wichtiger, den Sinn der Leistung zu er-
fassen und der Welt zu sagen, daß solch ein
Werk reicher Besitz für die Kunstgeschichte
ist und daß van der Goes, Verkörperer der
Zeit Karls des Kühnen und später Bruder bei
den Mönchen im Roode Glooster bei Brüssel,
nie einen besseren Historiographen hätte fin-
den können als Max J. Friedländer, der dem
Werk des Meisters bis in die letzten Ausstrah-
lungen hinein nachgegangen ist. Buchtech-
nisch schließt sich der Band vollwertig den
früheren Bänden an. Der reiche Tafelanhang
von 80 ganzseitigen Abbildungen umgreift das
ganze Oeuvre von Hugo van der Goes und
seiner Schüler. Inhaltlich gliedert Friedländer
seine Arbeit in folgende Kapitel: Vorwort /
Das Leben Hugos van der Goes und der Porti-
nari-Altar / Die Werke Hugos van der Goes /
Kopien nach Hugo van der Goes und die Wir-
kung seiner Kunst / Die Persönlichkeit Hugos


Dor. Lis. Terbusch. Bildnis des Malers Hackert
Barockmuseum, Wien

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