ZWEI NIEDERLÄNDISCHE BILDNISSE
VON P. WESCHER
Die große Zahl der niederländischen Bildnisse des 16. Jahrhunderts ist nur in
verhältnismäßig seltenen Fällen identifiziert und mit Namen bekannt. Kaum
einmal kommt uns wie bei der Menge der altdeutschen Bildnisse eine Inschrift
zu Hilfe, die Wappen sind oft schwer feststellbar und meistens für die Person
unergiebig. So sind wir auf den Zufall angewiesen, der uns ein anderes be-
schriftetes Abbild derselben Person vielleicht im Stich, im Bild oder — seltener
— im Schnitt erhalten hat. Zwei solche Fälle, in denen der Stich uns zu
Hilfe kommt, liegen hier vor. Beide Bildnisse gewinnen über ihren Sonderfall
hinaus breiteres Interesse dadurch, daß die Porträtierten bekannte Persönlich-
keiten waren, markante Erscheinungen in ihrer Zeit, Köpfe, die das Geschick
vieler bestimmten.
Erard de la Marek, der mächtige und gelehrte Erzbischof von Lüttich und
Viglius Aytta, der berühmte Rechtslehrer und Berater Karls V., Kanzler des
Ordens vom Goldenen Vlies, waren beide, obwohl Geistliche, stark in die welt-
lichen Probleme ihrer Zeit verwickelt; politische und religiöse Entscheidungen
prägten in fast gleicher Weise ihr Wesen und ihre Stellung. Unter denjenigen,
die in der politischen Sphäre des Brüsseler Hofes unmittelbaren Einfluß auf die
Gestaltung der niederländischen Geschicke gewannen, ragen ihre bedeutenden
Gestalten hervor.
Über Erard de la Marek entnehmen wir der Biographie nationale de Bel-
gique die folgenden Daten: Geboren 1472, wurde Erard bereits 1506 Bi-
schof von Lüttich, das sich als selbständiges Erzbistum zu dieser Zeit in schwie-
riger politischer Lage zwischen Franz I. von Frankreich und dem Hause Habs-
burg befand. 1518 stellte sich Erard de la Marek auf die Seite Margarethes
von Österreich und wurde 1525 zum Generalinquisitor der Niederlande er-
nannt. Bei der Krönung Ferdinands I. im Jahre 1531 befand er sich in Köln
und begleitete den Kaiser nach Aachen. Er starb 1538. Ein Jahr zuvor noch
hatte er den Maler Lambert Lombard nach Italien geschickt.
Seine kunstsinnigen Bestrebungen wurden von Jules Helbig in seiner Abhand-
lung über Lambert Lombard gewürdigt. Im Chor der Kathedrale von Lichfield
(Engl.) befindet sich ein von ihm gestiftetes Fenster aus der Abtei Herkenrode,
worauf er selbst neben zahlreichen andern Sfiftern dargestellt ist. Unter den un-
beschriebenen Radierungen des Cornelis Vermeyen fänden wir sein Porträt im
Cabinet des Estampes in Paris (Courboin Nr. 1081g), mit ganzer Unterschrift:
Rev. Etthardus a marka sce Ro Eccl sei Grisogoni pbr Cardinal Episcopus Leo-
dien dux bulliacen Comes Lossen (Abb. 2). (Ähnlich lautete der Titel, den sein
in Holz geschnittenes Wappen trägt, das 1326 Anton Wönsarn entwarf.)
Auf Grund dieser Radierung des Cornelis Vermeyen läßt sich nun außerdem
ein Gemälde des Jan Scorel, das anläßlich der Ausstellung aus Wiesbadener
Privatbesitz 1910 bekannt und in dieser Zeitschrift zuerst von W. Cohen ver-
öffentlicht wurde (Jahrg. 1 g 1 o, S. 222), als das Bildnis des Erard de la Mark
bestimmen.
Das Bild, das nach neuerlicher Reinigung als eines der schönsten von der Hand
Scorels gelten darf (Abb. 1), befindet sich jetzt in der Sammlung v. Pannwitz in
VON P. WESCHER
Die große Zahl der niederländischen Bildnisse des 16. Jahrhunderts ist nur in
verhältnismäßig seltenen Fällen identifiziert und mit Namen bekannt. Kaum
einmal kommt uns wie bei der Menge der altdeutschen Bildnisse eine Inschrift
zu Hilfe, die Wappen sind oft schwer feststellbar und meistens für die Person
unergiebig. So sind wir auf den Zufall angewiesen, der uns ein anderes be-
schriftetes Abbild derselben Person vielleicht im Stich, im Bild oder — seltener
— im Schnitt erhalten hat. Zwei solche Fälle, in denen der Stich uns zu
Hilfe kommt, liegen hier vor. Beide Bildnisse gewinnen über ihren Sonderfall
hinaus breiteres Interesse dadurch, daß die Porträtierten bekannte Persönlich-
keiten waren, markante Erscheinungen in ihrer Zeit, Köpfe, die das Geschick
vieler bestimmten.
Erard de la Marek, der mächtige und gelehrte Erzbischof von Lüttich und
Viglius Aytta, der berühmte Rechtslehrer und Berater Karls V., Kanzler des
Ordens vom Goldenen Vlies, waren beide, obwohl Geistliche, stark in die welt-
lichen Probleme ihrer Zeit verwickelt; politische und religiöse Entscheidungen
prägten in fast gleicher Weise ihr Wesen und ihre Stellung. Unter denjenigen,
die in der politischen Sphäre des Brüsseler Hofes unmittelbaren Einfluß auf die
Gestaltung der niederländischen Geschicke gewannen, ragen ihre bedeutenden
Gestalten hervor.
Über Erard de la Marek entnehmen wir der Biographie nationale de Bel-
gique die folgenden Daten: Geboren 1472, wurde Erard bereits 1506 Bi-
schof von Lüttich, das sich als selbständiges Erzbistum zu dieser Zeit in schwie-
riger politischer Lage zwischen Franz I. von Frankreich und dem Hause Habs-
burg befand. 1518 stellte sich Erard de la Marek auf die Seite Margarethes
von Österreich und wurde 1525 zum Generalinquisitor der Niederlande er-
nannt. Bei der Krönung Ferdinands I. im Jahre 1531 befand er sich in Köln
und begleitete den Kaiser nach Aachen. Er starb 1538. Ein Jahr zuvor noch
hatte er den Maler Lambert Lombard nach Italien geschickt.
Seine kunstsinnigen Bestrebungen wurden von Jules Helbig in seiner Abhand-
lung über Lambert Lombard gewürdigt. Im Chor der Kathedrale von Lichfield
(Engl.) befindet sich ein von ihm gestiftetes Fenster aus der Abtei Herkenrode,
worauf er selbst neben zahlreichen andern Sfiftern dargestellt ist. Unter den un-
beschriebenen Radierungen des Cornelis Vermeyen fänden wir sein Porträt im
Cabinet des Estampes in Paris (Courboin Nr. 1081g), mit ganzer Unterschrift:
Rev. Etthardus a marka sce Ro Eccl sei Grisogoni pbr Cardinal Episcopus Leo-
dien dux bulliacen Comes Lossen (Abb. 2). (Ähnlich lautete der Titel, den sein
in Holz geschnittenes Wappen trägt, das 1326 Anton Wönsarn entwarf.)
Auf Grund dieser Radierung des Cornelis Vermeyen läßt sich nun außerdem
ein Gemälde des Jan Scorel, das anläßlich der Ausstellung aus Wiesbadener
Privatbesitz 1910 bekannt und in dieser Zeitschrift zuerst von W. Cohen ver-
öffentlicht wurde (Jahrg. 1 g 1 o, S. 222), als das Bildnis des Erard de la Mark
bestimmen.
Das Bild, das nach neuerlicher Reinigung als eines der schönsten von der Hand
Scorels gelten darf (Abb. 1), befindet sich jetzt in der Sammlung v. Pannwitz in