Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0788
DOI issue:
Heft 24
DOI article:Giedion, Sigfried: Die Wohnung: ein Rückblick auf Stuttgart 1927
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VON SIGFRIED GIEDION
D IE WOHN U N G
EIN RÜCKBLICK AUF STUTTGART 1927
Abb. 1 Die beiden Häuser Le Corbusier
Abb. 2 Haus Mart Stam
Abb. 3. Haus des Stadtbaumeisters.). J. P. Oud, Rotterdam
Photo Dr. Lossen, Stuttgart-Feuerbach. Die Abbildung ist dem
Werk »Bau und Wohnung 1927«, das der Deutsche Werkbund
demnächst herausgibt, entnommen.
Wir haben zu Beginn dieses
Jahres an dieser Stelle auf
die voraussichtlich wichtig-
sten Bauereignisse, auf die
Konkurrenz um das Völ-
kerbundsgebäude und die
Werkbundausstellung »Die
Wohnung« hingewiesen.
Die Ausstellung hat tat-
sächlich eine Eingliederung
ins aktive Leben gezeigt.
Wir nennen ihre Bedeu-
tung außerordentlich, da
mit ihr das neue Bauen
aus dem Sterilisierglas der
Avant-garde zu einem Be-
wußtseinselement der brei-
ten Schicht geworden ist.
Das neue Bauen kann we-
niger als irgendeine andere
Bewegung ohne aktive
Mitarbeit der Massen ge-
sund bleiben. Natürlich
werden die Probleme nicht
aus dem realen Bewußtsein
der Masse geboren. Die
Bewußtseinsschicht stellt
sich auf Verneinen ein. Ist
aber der unbewußte Wille
in eine bestimmte Bahn ge-
lenkt und der Einsicht an
Stelle der Verneinung Platz
geschaffen, so wird das gei-
stige Laboratoriumspro-
dukt durch die Erweite-
rung und Verschiebung
mit dem realen Leben über-
haupt erst fruchtbar. Keim-
zelle auf diesem Gebiet zu
sein, scheint uns der Sinn
derStuttgarterAusstellung.
Von technischen Hoch-
schulen in ihrer heutigen
lebensfremden Gestalt ist
760
D IE WOHN U N G
EIN RÜCKBLICK AUF STUTTGART 1927
Abb. 1 Die beiden Häuser Le Corbusier
Abb. 2 Haus Mart Stam
Abb. 3. Haus des Stadtbaumeisters.). J. P. Oud, Rotterdam
Photo Dr. Lossen, Stuttgart-Feuerbach. Die Abbildung ist dem
Werk »Bau und Wohnung 1927«, das der Deutsche Werkbund
demnächst herausgibt, entnommen.
Wir haben zu Beginn dieses
Jahres an dieser Stelle auf
die voraussichtlich wichtig-
sten Bauereignisse, auf die
Konkurrenz um das Völ-
kerbundsgebäude und die
Werkbundausstellung »Die
Wohnung« hingewiesen.
Die Ausstellung hat tat-
sächlich eine Eingliederung
ins aktive Leben gezeigt.
Wir nennen ihre Bedeu-
tung außerordentlich, da
mit ihr das neue Bauen
aus dem Sterilisierglas der
Avant-garde zu einem Be-
wußtseinselement der brei-
ten Schicht geworden ist.
Das neue Bauen kann we-
niger als irgendeine andere
Bewegung ohne aktive
Mitarbeit der Massen ge-
sund bleiben. Natürlich
werden die Probleme nicht
aus dem realen Bewußtsein
der Masse geboren. Die
Bewußtseinsschicht stellt
sich auf Verneinen ein. Ist
aber der unbewußte Wille
in eine bestimmte Bahn ge-
lenkt und der Einsicht an
Stelle der Verneinung Platz
geschaffen, so wird das gei-
stige Laboratoriumspro-
dukt durch die Erweite-
rung und Verschiebung
mit dem realen Leben über-
haupt erst fruchtbar. Keim-
zelle auf diesem Gebiet zu
sein, scheint uns der Sinn
derStuttgarterAusstellung.
Von technischen Hoch-
schulen in ihrer heutigen
lebensfremden Gestalt ist
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