SAMMLER UND MARKT
DIE HAFTUNG FÜR DIE ECHTHEIT VON
KUNSTGEGENSTÄNDEN
Von Justizrat Dr. Felix Szkolny, Berlin
In einer schwachen Stunde hat der greise
Hans Thoma eine von ihm herrührende Li-
thographie, die ein anderer Maler übermalt
hatte, mit seiner Signatur versehen, um dem
ihm befreundeten Besitzer des Bildes, der es
ihm mit der Bitte um Signierung vorlcgle, ge-
fällig zu sein. Das Bild gelangte in den Kunst-
handel und wurde von einem unglücklichen
Händler für 4oooRM. erworben. Der Prozeß,
der sich daraus entwickelte, hat auch das
Reichsgericht beschäftigt. Die Entscheidung ist
wegen ihrer Wichtigkeit in der amtlichen
Sammlung, Bd. ii4 S.a3g, abgedruckt. Die
Klage des Käufers gegen den Verkäufer wurde
ahgewiesen, weil die Eigenschaft der Echt-
heit des Bildes nicht zugesichert worden
sei. Der Käufer, der auf Schadenersatz ge-
klagt hatte, hätte daher nach der Ansicht
des Reichsgerichts nur auf „Wandlung“
(Rückgängigmachung) des Geschäftes klagen
können. Eine arglistige Täuschung, die den
Anspruch auf Schadenersatz ebenfalls be-
gründet hätte, sei nicht dargetan. Am wichtig-
sten von den Ausführungen des Reichsgerichts
ist der Satz, daß, wenn auch die still-
schweigende Zusicherung der Echtheit ei-
nes Rildes nicht schlechthin ausgeschlossen sei,
sie doch nur in seltenen Fällen als vorhan-
den angenommen werden könne. Das Bürger-
liche Gesetzbuch unterscheidet zwischen ver-
tragsmäßig vorausgesetzten und
zu gesicherten Eigenschaften (vgl.
§ 45g des Bürgerlichen Gesetzbuches). Der
Verkäufer haftet nämlich dem Käufer dafür,
daß der Kaufgegenstand nicht mit Fehlern be-
haftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit
zu dem gewöhnlichen oder dein nach dem Ver-
trage vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder
mindern, außerdem haftet der Verkäufer auch
dafür, daß der Gegenstand die zugesicherten
Eigenschaften hat. Wegen der Mängel, die
hiernach der Verkäufer zu vertreten hat, kann
der Käufer Rückgängigmachung des Kaufes
oder, was hier nicht in Frage kommt, Herab-
setzung des Kaufpreises verlangen. Fehlt dem
verkauften Gegenstand eine zugesicherte Ei-
genschaft, so kann der Käufer statt der Wand-
lung Schadenersatz wegen Nichterfüllung ver-
langen. Das gleiche gilt, wenn der Verkäufer
einen Fehler arglistig verschwiegen hat.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Echt-
heit des Bildes in dem vorliegenden Falle eine
vertragsmäßig vorausgesetzte Eigenschaft des
Bildes war. Denn für den Wert eines moder-
nen Bildes ist es von entscheidender Bedeu-
tung, ob es von einem anerkannten Meister
wie Hans Thoma geschaffen ist, oder von ei-
nem unbekannten Maler herrührt. Was ver-
tragsmäßig vorausgesetzt wird, ist
aber damit noch nicht zugesichert.
Erklärt der Verkäufer: „Ich garantiere dafür,
daß das Bild von Hans Thoma ist“, so stehtdie
ausdrückliche Garantie der Echtheit außer
Zweifel. Die Unsicherheit beginnt aber sofort,
wenn das Wort „Garantie“ oder eine ähnliche
Bezeichnung nicht gebraucht wird. In einem
schon viele Jahre zurückliegenden Falle hattei
ein Kunsthändler mehrere Gemälde mit der
Bezeichnung: „Menzel i84g, jüngst auf gefun-
den“ angeboten. Er machte auch Angaben über
die Provenienz und bezeichnete sie bei der Ab-
lieferung auf der quittierten Rechnung wieder-
um als „Menzel“. Als sich später die Unecht-
heit ergab, nahm das Gericht eine Zusicherung
der Echtheit an. Es hat von jeher ein lebhaf-
ter Streit darüber bestanden, was unter aus-
drücklicher und stillschweigender
Willenserklärung zu verstehen ist. Aus-
drücklich ist die Erklärung, wenn sie durch
Worte oder im Verkehr übliche Zeichen er-
folgt, welche den Willen unmittelbar kund tun.
Eine stillschweigende Willenserklärung liegt
vor, wenn aus den Umständen auf eine be-
stimmte Willensrichtung zu schließen ist. Es
ist zuzugeben, daß eine solche stillschweigende
Zusicherung der Echtheit nur in Ausnahme-
fällen vorliegen wird. Richtiger wäre es ge-
gewesen, Iwenn der Gesetzgeber zwischen zu-
gesicherten und vorausgesetzten Eigenschaf-
ten überhaupt nicht unterscheiden, sondern so-
wohl in dem einen wie in dem anderen Falle
den Anspruch auf Schadenersatz gewährt hätte.
Jedenfalls ergibt sich für den Kunsthändler
und Sammler hieraus die Lehre, daß er sich
beim Kauf die Echtheit ausdrücklich zusichern
lassen muß, wenn er nicht Gefahr laufen will,
nur die gewöhnlichen Gewährsohaftsrechte
(§ 46a BGB.) statt des Anspruchs auf vollen
Schadenersatz, zu dem auch der e n tgan g en e
Gewinn gehört, geltend machen zu können.
Auffallend ist allerdings, daß die klagende
Partei, die sich darüber klar sein mußte, daß
die Gerichte eine stillschweigende Zusiche-
rung der Echtheit nur selten annehmen, nicht
einen anderen Gesichtspunkt in das Treffen
geführt hat, der ihr ebenfalls die Möglich-
keit gewährt hätte, vollen Schadenersatz zu
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DIE HAFTUNG FÜR DIE ECHTHEIT VON
KUNSTGEGENSTÄNDEN
Von Justizrat Dr. Felix Szkolny, Berlin
In einer schwachen Stunde hat der greise
Hans Thoma eine von ihm herrührende Li-
thographie, die ein anderer Maler übermalt
hatte, mit seiner Signatur versehen, um dem
ihm befreundeten Besitzer des Bildes, der es
ihm mit der Bitte um Signierung vorlcgle, ge-
fällig zu sein. Das Bild gelangte in den Kunst-
handel und wurde von einem unglücklichen
Händler für 4oooRM. erworben. Der Prozeß,
der sich daraus entwickelte, hat auch das
Reichsgericht beschäftigt. Die Entscheidung ist
wegen ihrer Wichtigkeit in der amtlichen
Sammlung, Bd. ii4 S.a3g, abgedruckt. Die
Klage des Käufers gegen den Verkäufer wurde
ahgewiesen, weil die Eigenschaft der Echt-
heit des Bildes nicht zugesichert worden
sei. Der Käufer, der auf Schadenersatz ge-
klagt hatte, hätte daher nach der Ansicht
des Reichsgerichts nur auf „Wandlung“
(Rückgängigmachung) des Geschäftes klagen
können. Eine arglistige Täuschung, die den
Anspruch auf Schadenersatz ebenfalls be-
gründet hätte, sei nicht dargetan. Am wichtig-
sten von den Ausführungen des Reichsgerichts
ist der Satz, daß, wenn auch die still-
schweigende Zusicherung der Echtheit ei-
nes Rildes nicht schlechthin ausgeschlossen sei,
sie doch nur in seltenen Fällen als vorhan-
den angenommen werden könne. Das Bürger-
liche Gesetzbuch unterscheidet zwischen ver-
tragsmäßig vorausgesetzten und
zu gesicherten Eigenschaften (vgl.
§ 45g des Bürgerlichen Gesetzbuches). Der
Verkäufer haftet nämlich dem Käufer dafür,
daß der Kaufgegenstand nicht mit Fehlern be-
haftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit
zu dem gewöhnlichen oder dein nach dem Ver-
trage vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder
mindern, außerdem haftet der Verkäufer auch
dafür, daß der Gegenstand die zugesicherten
Eigenschaften hat. Wegen der Mängel, die
hiernach der Verkäufer zu vertreten hat, kann
der Käufer Rückgängigmachung des Kaufes
oder, was hier nicht in Frage kommt, Herab-
setzung des Kaufpreises verlangen. Fehlt dem
verkauften Gegenstand eine zugesicherte Ei-
genschaft, so kann der Käufer statt der Wand-
lung Schadenersatz wegen Nichterfüllung ver-
langen. Das gleiche gilt, wenn der Verkäufer
einen Fehler arglistig verschwiegen hat.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Echt-
heit des Bildes in dem vorliegenden Falle eine
vertragsmäßig vorausgesetzte Eigenschaft des
Bildes war. Denn für den Wert eines moder-
nen Bildes ist es von entscheidender Bedeu-
tung, ob es von einem anerkannten Meister
wie Hans Thoma geschaffen ist, oder von ei-
nem unbekannten Maler herrührt. Was ver-
tragsmäßig vorausgesetzt wird, ist
aber damit noch nicht zugesichert.
Erklärt der Verkäufer: „Ich garantiere dafür,
daß das Bild von Hans Thoma ist“, so stehtdie
ausdrückliche Garantie der Echtheit außer
Zweifel. Die Unsicherheit beginnt aber sofort,
wenn das Wort „Garantie“ oder eine ähnliche
Bezeichnung nicht gebraucht wird. In einem
schon viele Jahre zurückliegenden Falle hattei
ein Kunsthändler mehrere Gemälde mit der
Bezeichnung: „Menzel i84g, jüngst auf gefun-
den“ angeboten. Er machte auch Angaben über
die Provenienz und bezeichnete sie bei der Ab-
lieferung auf der quittierten Rechnung wieder-
um als „Menzel“. Als sich später die Unecht-
heit ergab, nahm das Gericht eine Zusicherung
der Echtheit an. Es hat von jeher ein lebhaf-
ter Streit darüber bestanden, was unter aus-
drücklicher und stillschweigender
Willenserklärung zu verstehen ist. Aus-
drücklich ist die Erklärung, wenn sie durch
Worte oder im Verkehr übliche Zeichen er-
folgt, welche den Willen unmittelbar kund tun.
Eine stillschweigende Willenserklärung liegt
vor, wenn aus den Umständen auf eine be-
stimmte Willensrichtung zu schließen ist. Es
ist zuzugeben, daß eine solche stillschweigende
Zusicherung der Echtheit nur in Ausnahme-
fällen vorliegen wird. Richtiger wäre es ge-
gewesen, Iwenn der Gesetzgeber zwischen zu-
gesicherten und vorausgesetzten Eigenschaf-
ten überhaupt nicht unterscheiden, sondern so-
wohl in dem einen wie in dem anderen Falle
den Anspruch auf Schadenersatz gewährt hätte.
Jedenfalls ergibt sich für den Kunsthändler
und Sammler hieraus die Lehre, daß er sich
beim Kauf die Echtheit ausdrücklich zusichern
lassen muß, wenn er nicht Gefahr laufen will,
nur die gewöhnlichen Gewährsohaftsrechte
(§ 46a BGB.) statt des Anspruchs auf vollen
Schadenersatz, zu dem auch der e n tgan g en e
Gewinn gehört, geltend machen zu können.
Auffallend ist allerdings, daß die klagende
Partei, die sich darüber klar sein mußte, daß
die Gerichte eine stillschweigende Zusiche-
rung der Echtheit nur selten annehmen, nicht
einen anderen Gesichtspunkt in das Treffen
geführt hat, der ihr ebenfalls die Möglich-
keit gewährt hätte, vollen Schadenersatz zu
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