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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 6
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0212

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RUNDSCHAU

BERLINE11 AUSSTELLUNGEN
Bei IIarlberg stellt Max Pechstein seine
Produktion seit 192/1 aus. Nach den verun-
glückten Versuchen des Malers, zu einem
neuen Stil zu gelangen, zeigt die Ausstellung
den gesunden Weg, den er nunmehr einge-
schlagen hat: er versammelt seine Kräfte auf
die Zeichnung. Schon die Kartons zu den Fen-
stern des Arbeitsamtes beim Völkerbund in
Genf haben bewiesen, welche graphische Po-
tenz in Pechstein unentwegt gelebt hat. Sic
erweist sich auch in den nunmehr vorgeführ-
ten Blättern: gewischte Bleistiftzeichnungen,
sehr sorgfältig plastisch modelliert und solche
mit der Rohrfeder in chinesischer Tusche. Bei
beiden ist das intensive Bestreben offensicht-
lich, zur tastbaren Form zu gelangen. Mit
Energie wird jeder Hebung und Senkung der
Oberfläche nachgegangen. Niemals aber wird
Pechstein kleinlich. Er verfällt, auch nicht in
den Fehler vieler der jungen Generation, die
klassische Form der Poussin-Tradition nach-
zuahmen, wobei alles glatt und dünnblütig
wird. Pechstein ist ein starkes Talent und voll
Saft und Eigenwilligkeit. Bei aller Dctailar-
beit bleibt die Form bei ihm groß, monu-
mental gegliedert und dabei charakteristisch
im einzelnen. Die Bleistiftzeichnung seiner
Schwiegermutter oder die seiner jungen Frau
sind Musterbeispiele lebendiger Menschendar-
stellung. Das Bildnis des schlafenden Wirtes,
höchst sparsam in den Mitteln, wird von nie-


Carl Hofer Nachtlokal
Ausgestellt in der Galerie Fleclitlieim, Berlin


Max Pechstein Alter Fischer. Öl
Ausgestellt in der Galerie Hartberg. Berlin

mandem vergessen, der es auch nur einmal ge-
sehen hat.
Bei den Gemälden tastet Pechstein noch im-
mer. Die Zeit der Unsicherheit ist hier noch
nicht überwunden, aber sie wird überwunden
werden. Solche Kerls wie Pechstein, die ein-
mal der heimatlichen Kunst ihrer Epoche mit
das Gepräge gegeben haben, sind mit 45 Jah-
ren noch nicht zu Ende.
Von Karl Hofer, der bei Flechtheim
eine Überschau über sein letzles Schaffensjahr
gibt, ist das „Nachtlokal“, das wir abbilden,
das beste Stück. Es zeigt das Wesen Hofer-
scher Kunst in voller Reinheit: Bändigung der
verwirrenden Vielfältigkeit des Lebens durch
das Gesetz. Was ist dargestellt? Jazzmusik,
Tänzerinnen, Trara. Hofer schraubt die Bild-
elemente fest zusammen. Er baut das Gemäl-
de aus Dreiecken auf, die mit ihren Spitzen
im Zentrum zusammen laufen. Man beobachte,
wie jedes Objekt ganz unmerklich in Dreiecks-
form gebracht ist: Die Gesichter der Musi-
ker, ihre Stellung zueinander, die Arme der
Mädchen, ihre Beine, die Zuschauer im Hin-
tergrund und das metallene Schlagzeug auf
der Pauke.
Der Bildinhalt selbst in seiner Auffassung ist
typisch für die Kunst unserer Zeit überhaupt:
 
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