SAMMLER UND MARKT
NEW YORKEll AUKTIONEN
Die erste Hälfte der laufenden Auktionssai-
son hat — was Angebot und Preisergebnisse
anlangt — den Durchschnitt der letzten Jahre
weit übertroffen. Man sah der Saison 1926
bis 1927 mit großen Hoffnungen entgegen
und diese haben sich zweifelsohne erfüllt.
Die zwei bedeutendsten Auktionshäuser der
Stadt, die Anilersen Galleries und <1 i e
American Art Galleries, haben eine
glänzende Ernte hinter sich. Die letzteren haben
auch die üble Schlappe, die sie sich vor 2 Jahren
durch die unüberlegte Übernahme der Verstei-
gerung der Paolinisammlung traurigen An-
gedenkens zugezogen hatten, wueder ausge-
wretzt durch den Verkauf der Stillmann-
sammlung, die drei Viertel Millionen Dol-
lars für nur 37 Gemälde eintrug, und auf der
der Rekordpreis von $ 270000 für einen Rem-
brandt bezahlt wurde. Dieses Gemälde aus der
Spätzeit des Meisters (Bode, Bd. VI, Nr. 446),
seinen Sohn Titus im Armstahl darstellend,
wurde von Sir Joseph Duveen persönlich
eingesteigert, wie es heißt, für einen Privat-
sammler, der, in seiner großen Aufregung,
selber nicht zu bieten wagte. Die Sammlung
enthielt außer dem Titusbilde noch einen
schwächeren Rembrandt, den „Evangelisten“
(Bode, Bd. VII, Nr. 525), den Mr. John
Ringling, Eigentümer des größten Zirkus der
Welt, um $ 78000 erstand. Erstklassig waren
u. a. auch ein Daumier, „Le Repos des
Saltimbanques“ (abgeb. bei Klossowski, S. 84),
ein M erk düsterer Pracht und unheimlicher
Größe, das von Wildenstein & Co. für
$ 34 000 gekauft wurde; zw ei überlebensgroße
Bildnisse von Moroni; ein „Landsknecht“ von
Jacopo Pontormo, der $ 37000 kostete; und
ein Tiepolo, „Madonna und Kind“ ($12000).
W ie das so auf großen Auktionen zu geschehen
pflegt, wurden einige weniger bedeutende
Werke in der allgemeinen Erregung auf
Preise hinaufgetrieben, die bei ruhiger Über-
legung kein Käufer in irgendeiner Händler-
galerie je bezahlt hätte, so z. B. ein durchaus
mäßiger Murillo, „Madonna und Kind“ auf
$ 5oooo; eine Madonna und Kind von Gian-
pictrino auf $ 11 000; eine weitere „Madonna
und Kind“ von Boccaccio Boccaccino auf
$46oo. Einen interessanten, fast pikanten Ge-
gensatz zu dieser Altmeisterversteigerung bot
dann kurze Zeit darauf in denselben Räumen
die der übriggebliebenen modernen M'erkeaus
dem Nachlaß des, fast könnte man sagen En-
grosbilderkäufers John Quinn, in der über
5oo Gemälde für etwas über $ 91:000 abge-
setzt wurden. In sehr vielen Fällen sollen aber
die erzielten Preise noch höher gewesen sein
als die Einkaufspreise. Eine Anzahl schon
recht veraltet anmutender „Moderner“ — al-
lerlei Mitläufer der verschiedensten Bewegun-
gen der letzten Jahre — scheinen um Sum-
men von etwa <$ i2i/3 von Besitzern gewisser
Künstlercafes und -restaurants aufgekauft
worden zu sein, um nun im New Yorker
..Quartier Latin“, dem sogenannten Green-
wich Village, das auswärtige Publikum als der-
nier cri der Malerkünste anzulocken. Bei die-
sem Verkauf darf übrigens nicht übersehen
werden, daß es sich nur um den Rest der
Sammlung handelte, und daß die Hauptwerke,
z. T. für recht hohe Summen, bereits in Pa-
ris verkauft worden waren.
Ein Verkauf von besonderer Bedeutung war
dann noch der orientalischer Teppi-
che aus dem Besitz vonV.undL.Berguiat,
auf dem ein kleiner persischer „Tierteppich“
aus der II. G. Marquandkollektion von der
Firma Parrish Watson (wie es heißt für Wi-
dener-Philadelphia) um $ 100000 erstanden
wurde. Auf dieser erstaunlichen Versteigerung
brachten ein anderer Teppich $ 63 000 und
weitere Stücke $ 38000 und ähnlich. Auf
einer zweiten Teppichauktion (Hugh Black)
zahlte man für einen Ispahanteppich $ 17.500.
Auch für Tapisserien verschiedener Art wur-
den hohe Preise erzielt, so $ 20000 für ei-
nen vlämischen Wandteppich aus dem frühen
16. Jahrhundert. „Christus erscheint der Ma-
ria Magdalena.“ Er stammte aus der Samm-
lung des spanischen Grafen de Las Almenas.
Dieser Graf war nur einer von vielen aus al-
ler Herren Länder, die ihre Schätze dieses
Jahr unter den Hammer der amerikanischen
Auktionshäuser haben bringen lassen. Neben
ihm seien noch erwähnt der Erzherzog Leo-
pold Salvator, dem der Erzherzog Eugen mit
seiner umfassenden Waffensammlung aus
dem Schloß Ifohenwerfen bei Salzburg in
Bälde folgen wird; der Marquess of Reading,
ehemaliger Vizekönig von Indien; und der
Graf und die Gräfin de Kermaingnant-Paris,
die u. a. eine große Serie früher Millefleurs-
lapisserien zur Versteigerung herübergeschickt
hatten. So werden die hiesigen Auktionssäle
zum Spiegelbild der europäischen Lage!
Als besonders hervorragend muß auch noch
die Sammlung italienischer Renaissancemöbel
des Professor Luigi Grassi bezeichnet wer-
den, dem Bode einen Brief geschrieben hatte,
*99
NEW YORKEll AUKTIONEN
Die erste Hälfte der laufenden Auktionssai-
son hat — was Angebot und Preisergebnisse
anlangt — den Durchschnitt der letzten Jahre
weit übertroffen. Man sah der Saison 1926
bis 1927 mit großen Hoffnungen entgegen
und diese haben sich zweifelsohne erfüllt.
Die zwei bedeutendsten Auktionshäuser der
Stadt, die Anilersen Galleries und <1 i e
American Art Galleries, haben eine
glänzende Ernte hinter sich. Die letzteren haben
auch die üble Schlappe, die sie sich vor 2 Jahren
durch die unüberlegte Übernahme der Verstei-
gerung der Paolinisammlung traurigen An-
gedenkens zugezogen hatten, wueder ausge-
wretzt durch den Verkauf der Stillmann-
sammlung, die drei Viertel Millionen Dol-
lars für nur 37 Gemälde eintrug, und auf der
der Rekordpreis von $ 270000 für einen Rem-
brandt bezahlt wurde. Dieses Gemälde aus der
Spätzeit des Meisters (Bode, Bd. VI, Nr. 446),
seinen Sohn Titus im Armstahl darstellend,
wurde von Sir Joseph Duveen persönlich
eingesteigert, wie es heißt, für einen Privat-
sammler, der, in seiner großen Aufregung,
selber nicht zu bieten wagte. Die Sammlung
enthielt außer dem Titusbilde noch einen
schwächeren Rembrandt, den „Evangelisten“
(Bode, Bd. VII, Nr. 525), den Mr. John
Ringling, Eigentümer des größten Zirkus der
Welt, um $ 78000 erstand. Erstklassig waren
u. a. auch ein Daumier, „Le Repos des
Saltimbanques“ (abgeb. bei Klossowski, S. 84),
ein M erk düsterer Pracht und unheimlicher
Größe, das von Wildenstein & Co. für
$ 34 000 gekauft wurde; zw ei überlebensgroße
Bildnisse von Moroni; ein „Landsknecht“ von
Jacopo Pontormo, der $ 37000 kostete; und
ein Tiepolo, „Madonna und Kind“ ($12000).
W ie das so auf großen Auktionen zu geschehen
pflegt, wurden einige weniger bedeutende
Werke in der allgemeinen Erregung auf
Preise hinaufgetrieben, die bei ruhiger Über-
legung kein Käufer in irgendeiner Händler-
galerie je bezahlt hätte, so z. B. ein durchaus
mäßiger Murillo, „Madonna und Kind“ auf
$ 5oooo; eine Madonna und Kind von Gian-
pictrino auf $ 11 000; eine weitere „Madonna
und Kind“ von Boccaccio Boccaccino auf
$46oo. Einen interessanten, fast pikanten Ge-
gensatz zu dieser Altmeisterversteigerung bot
dann kurze Zeit darauf in denselben Räumen
die der übriggebliebenen modernen M'erkeaus
dem Nachlaß des, fast könnte man sagen En-
grosbilderkäufers John Quinn, in der über
5oo Gemälde für etwas über $ 91:000 abge-
setzt wurden. In sehr vielen Fällen sollen aber
die erzielten Preise noch höher gewesen sein
als die Einkaufspreise. Eine Anzahl schon
recht veraltet anmutender „Moderner“ — al-
lerlei Mitläufer der verschiedensten Bewegun-
gen der letzten Jahre — scheinen um Sum-
men von etwa <$ i2i/3 von Besitzern gewisser
Künstlercafes und -restaurants aufgekauft
worden zu sein, um nun im New Yorker
..Quartier Latin“, dem sogenannten Green-
wich Village, das auswärtige Publikum als der-
nier cri der Malerkünste anzulocken. Bei die-
sem Verkauf darf übrigens nicht übersehen
werden, daß es sich nur um den Rest der
Sammlung handelte, und daß die Hauptwerke,
z. T. für recht hohe Summen, bereits in Pa-
ris verkauft worden waren.
Ein Verkauf von besonderer Bedeutung war
dann noch der orientalischer Teppi-
che aus dem Besitz vonV.undL.Berguiat,
auf dem ein kleiner persischer „Tierteppich“
aus der II. G. Marquandkollektion von der
Firma Parrish Watson (wie es heißt für Wi-
dener-Philadelphia) um $ 100000 erstanden
wurde. Auf dieser erstaunlichen Versteigerung
brachten ein anderer Teppich $ 63 000 und
weitere Stücke $ 38000 und ähnlich. Auf
einer zweiten Teppichauktion (Hugh Black)
zahlte man für einen Ispahanteppich $ 17.500.
Auch für Tapisserien verschiedener Art wur-
den hohe Preise erzielt, so $ 20000 für ei-
nen vlämischen Wandteppich aus dem frühen
16. Jahrhundert. „Christus erscheint der Ma-
ria Magdalena.“ Er stammte aus der Samm-
lung des spanischen Grafen de Las Almenas.
Dieser Graf war nur einer von vielen aus al-
ler Herren Länder, die ihre Schätze dieses
Jahr unter den Hammer der amerikanischen
Auktionshäuser haben bringen lassen. Neben
ihm seien noch erwähnt der Erzherzog Leo-
pold Salvator, dem der Erzherzog Eugen mit
seiner umfassenden Waffensammlung aus
dem Schloß Ifohenwerfen bei Salzburg in
Bälde folgen wird; der Marquess of Reading,
ehemaliger Vizekönig von Indien; und der
Graf und die Gräfin de Kermaingnant-Paris,
die u. a. eine große Serie früher Millefleurs-
lapisserien zur Versteigerung herübergeschickt
hatten. So werden die hiesigen Auktionssäle
zum Spiegelbild der europäischen Lage!
Als besonders hervorragend muß auch noch
die Sammlung italienischer Renaissancemöbel
des Professor Luigi Grassi bezeichnet wer-
den, dem Bode einen Brief geschrieben hatte,
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