Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

DOI issue:
Heft 3
DOI article:
Rundschau
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0116

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
LlLY HILDEBRANDT

RUND SCHAU

Es ist gewiß kein Zufall, daß Lily Hilde-
brandt, von deren neuesten Hinterglasmale-
reien der Berliner Kunstsalon Fritz Gur-
litt zur Zeit eine anziehende Schau veran-
staltet, sich gerade dieser Technik schon früh
mit Vorliebe zugewandt hat. Die Hinterglas-
malerei, die durch den Schmelz, den sie der
Farbe verleiht, die Instinkte zu ungebroche-
ner und spektraler Farbigkeit wecken muß,
läßt eine naturalistische, stark detaillierende
Darstellungsweise gar nicht zu. Noch im 17.
und 18. Jahrhundert mochte sie im wesent-
lichen das Bedürfnis nach einer billigen und
einfachen Reproduktionsart befriedigen, in-
dem etwa ein seltener Stich oder eine Radie-
rung unter das Glas gelegt und in den Um-
rissen abgepaust ward, die schließlich farbig
ausgefüllt wurden. Die bäuerliche Kunst be-
mächtigte sich dann der Hinterglasmalerei zu
Hausschmuck und Votivbildern. Die Aus-
druckskraft ihrer primitiven Form und blü-
henden Farbigkeit sicherte ihr schon in der
Frühzeit des Expressionismus eine Wert-
schätzung, die seither nicht erlahmte.
Lily Hildebrandt hat selbständig und mit als
erste die alte Technik mit modernem Geiste
belebt. Der Zwang, aus der Farbe heraus zu


Lily Hildebrandt Hinterglasmalerei
Ausgestellt im Kunst salon Fritz Gurlitt, Berlin


Lily Hildebrandt Hinterglasmalerei
Ausgestellt im Kunstsalon Fritz Gurlitt, Berlin
komponieren und sich vereinfachter Formen
zu bedienen, entspricht ganz ihrer Natur: der
reizvollen Mischung von sehr sensiblem Raf-
finement und elementarer, fast kindlicher Nai-
vität. Man spürt dieser Schülerin des vortreff-
lichen Lehrers Adolf ITölzel die Kenntnis der
Kompositionsgesetze an. Aber man spürt vor
allem, daß sich ihr Schaffen intuitiv aus in-
stink tsicherem Gefühle heraus vollzieht. Ihre
Phantasie lebt sich im Gegenständlichen aus,
das sie allerdings sofort in formale Werte um-
setzt, und mit dem sie unbekümmert, mitunter
vielleicht allzu unbekümmert schaltet. Die ge-
genständlichen Einfälle, die sich immer mit
Vorstellungen bestimmter Farbklänge, Bewe-
gungen von Licht und Schatten oder von For-
men auf der Fläche paaren, sind stets ur-
sprünglich, gehen oft über das Schwermütige
bis zum Gespenstischen, bezeugen oft ange-
borenen Sinn für Witz. Mit kompositioneller
Sättigung und wechselseitiger Durchdringung
der Elemente verbindet sich eine gewisse Spar-
samkeit der Kunstmittel und Motive, die hier
in einfacher Reihung und Rhythmik einen
starken Zwang gleichgerichteter Lineamente
üben, dort durch Konstruktion einer gleich-
sam aufgeklappten, kindlichen Perspektive die

94
 
Annotationen