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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 3
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Grohmann, Will: Kokoschka / Hindemith / Schlemmer: (zwei Bühnengestaltungen)
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0115

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technischen Organismus nähert, der Marionette. Kokoschkas Farben sind
überquellend, verschwenderisch 5 die Schlemmers zurückhaltend, reduzierend.
Die Wirkung ist entsprechend verschieden, bei Kokoschka die Dämonie des
Gesichts, die Verbildlichung der Triebkräfte, die zeitweise Ausschaltung des
klaren Bewußtseins als Analogon der abstrahierenden, den Sinn des Dramas
noch stärker verallgemeinernden Musik; bei Schlemmer die räumlich-architek-
tonische Verfestigung des auch in der Musik hörbaren Dualismus Mann und
Weib, Vereinigung und Trennung, Leben und Tod. Gibt Kokoschka eine
seiner Wesensart entsprechende Übersteigerung der Illusionsbühne nach der
Seite der Ausdrucks-Vergewalligung, so versucht Schlemmer die simultane
Darstellung körperlicher und seelischer Geschehnisse durch Musik und Raum,
ihre Gesetze parallel verbindend.
Es gibt für jedes Stück so viele Möglichkeiten einer erschöpfenden Bühnenge-
staltung, als es schöpferische Gestalter gibt. Im Falle »Mörder, Hoffnung der
Frauen« bemächtigten sich zwei starke Naturen von entgegengesetzten Seiten
her desselben theatralischen Vorwurfs und bewiesen, daß jenseits des Natura-
lismus und der Stilbühne neue zeitgemäßere Lösungen des ewig wandelbaren
Rätsels Theater möglich sind. Wer die Versuche eines G. Craig, Brjussow,
Tairoff, Altmann auf der einen Seite, die eines Munch, Grosz auf der anderen
Seite kennt, wird schwer begreifen, warum der Gegensatz freie Kunst—
Theater nicht öfter zu Versuchen gelockt hat. Daß sie für beide "Feile von
Gewinn sein könnten, zeigt der Fall Kokoschka, Hindemith, Schlemmer. Das
Theater hätte unter keinen Umständen etwas zu riskieren, für den Künstler
bleibt es eine Gewissensfrage, wie weit er sich nach dieser Seite hin engagieren
will.

o


Paul Holz. Zeichnung

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