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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 5
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0176

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RUNDSCHAU

EIN SELBSTPORTRÄT CLAUDE MONETS
IM LOUVRE
Raid nach dem Tod Monets war in der Salle
des Etats des Louvre, wo Hauptwerke der
französischen Malerei des 19. Jahrhunderts
aufgehängt sind, an Stelle einer Corotfigur
mit Umgehung aller Instanzen ein Spätwerk
Monets, sein skizziertes Selbstporträt zu se-
hen. Wieviele Formalitäten sind sonst no twen-
dig, um ein Werk in den Louvre zu bringen:
vor allem muß der Künstler mindestens zehn
Jahre tot sein; dann all die der Beschlußfas-
sung vorausgehenden Komiteesitzungen. Nach
der Annahme Separatausstellung für die amis
du Louvre, und nach längerem Antichambrie-
ren im Saal der Neuerwerbungen erst die end-
gültige Einverleibung. In diesem Fall: mit
Blitzzug in die Ewigkeit. Nur Clemenceau, der
„tigre“, dem dieses Bild gehörte, ist solch
eines Sprungs über bureaukratische Schranken
hinweg fähig. Er diktierte dem Direktor der
Schönen Künste seine Bedingungen: Dort und
sofort oder nie. Der Befehl wurde erfüllt,
vielleicht auch noch auf eine andere Pression
hin: man weiß, daß Clemenceau eine der
schönsten Fassungen von Daumiers „Dritte
Klasse“ besitzt. ..
Das Selbstporträt Monets trägt alle Merkmale
des Alters. Es ist wie seine Teichbilder gemalt.


Claude Monet Selbstporträt

Mit breitestem schnellstem Pinsel sind die grü-
nen Laubreflexe auf den weißen Bart, der vio-
lette Luftton auf Wangen und Stirn gesetzt:
die Improvisation eines Malers, der wohl nie
scharf in der Nähe gesehen hat, sich aber im
Alter mit zunehmender Augenschwäche ganz
auf Temperament und Wissen verlassen kann.
Anton Graff mußte im Alter aus ähnlichen
Gründen, seinem Wesen zuwider handelnd,
die Akribie seiner Porträts aufgeben und be-
gann breit zu malen. Monet aber brach wohl
ab, weil er die Einzelheiten nicht mehr packen
konnte. Er ließ den graugelben Malgrund ste-
llen um das schmale licht- und farbenflim-
mernde Oval des Kopfes, an dem Nase, Augen,
Mund nur zu erraten sind.
Der Clemenceaustreich ist der Skizze Monets
nicht gut bekommen. Die gewaltigen abgerun-
deten, abgeschlossenen Gemälde Courbets, De-
lacroix’, Ingres’ in diesem Saal schlagen sie
tot. Erst wenn man das Bild in ein kleineres
Kabinett hängt, wird es richtig zur Geltung
kommen, als ein genialer Versuch, auch den
Menschen, sich selbst als ein Lächeln des Lichts
zu malen. Albert Dreyfus
DIE GALERIE IM CA DORO
Ein Ereignis von großer Tragweite nicht nur
für Venedig und Italien, sondern auch für die
Kunstfreunde aller Länder ist die 'Galerieer-
öffnung in Cä Doro, welche der verstorbene
Baron Franchetti schon bei Lebzeiten dem ita-
lienischen Staat schenkte. Der herrliche goti-
sche Palast, Anfang des i5. Jahrhunderts von
Bartolomeo Buon erbaut, wurde in den letzten
Jahren einer radikalen Restaurierung unter-
zogen, zwecks besserer Unterbringung der
wertvollen Sammlung. — Den Besucher emp-
fängt ein hl. Sebastian, Spätwerk des Mante-
gna. Dieses Meisterstück strenger Form und
hellen Kolorits prangt für sich allein in einer
Nische. Die venezianische Schule ist von ihren
Anfängen bis tief ins 18. Jahrhundert reich
vertreten. Zunächst sei erwähnt eine Madonna
mit Kind des gotisch-barocken Giambono, mit
noch herrlich erhaltener Vergoldung. Eine et-
was steife Muttergottes könnte wohl A1 v i s c
Vivarini zugesprochen werden, trotz der an
Antonello da Messina erinnernden Landschaft.
Suggestiv ist ein Christus, der von Maria und
dem hl. Johannes Abschied nimmt; das stark
restaurierte Werk ist wahrscheinlich von Ja-
copo de Barbari unter deutschem Einfluß ent-
standen. Fast lebensgroß ist die monumentale
Tafel des Cima da Conegliano, Christus zwi-

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