KUNST-LITERATUR
LAURENCE BINYON: LES PEINTURES
GHINOISES DANS LES COLLECTIONS
D’ANGLETERRE. 08 Seiten, 0', Tafeln.
Ars Asiatica IX. G. Van Oest, Paris und
Brüssel 1927.
Der neue Band der Ars Asiatica legt, wie der
Titel anzeigt, die wichtigsten chinesischen Ge-
mälde in englischem Besitz vor. Der Text Bi-
nyons ist angenehm zu lesen, er macht auf
eine leichtverständliche Art mit den histori-
schen Fakten bekannt, die zum Verständnis
der Bilder nötig sind. Mit vollem Recht mißt
Binyon manchen Werken, die Sir Aurel Stein
in Zentralasien gefunden hat, große Bedeu-
tung bei, denn sie sind in der Tat geeignet,
unsere bisher so lückenhafte Kenntnis der Ma-
lerei unter der T’ang-Dynastie (618—-906)
etwas aufzufüllen. Es versteht sich von selbst,
daß sich auf diesen Außenposten chinesischer
Kultur Kunstwerke von stark differierender
Qualität finden; das schließt jedoch nicht aus,
daß sich ein geschultes Auge die stilistischen
Eigentümlichkeiten der T’angmalerei heraus-
schälen kann. Dadurch fällt dann ein Licht
nach zwei Seiten: nach Westen hin auf die
Kunst der zentralasiatischen Oasen, nach Osten
hin auf die Malerei in Japan.
Von hohem kunstgeschichtlichen Interesse
sind dann die Fresken der Sammlung Eumor-
fopulos, die angeblich aus Honan stammen
und sicher noch der T’ang-Zeit angehören,
nicht weniger der Ausschnitt eines Bildes im
Britsh Museum, das dem Chao Kung-yu (12.
Jahrhundert) zugeschrieben wird, und den
Angriff des Dämonenheeres auf die Almosen-
schale des Buddha zum Vorwurf hat: das sind
Gestalten von unerhörter Ausdruckskraft, von
einer Leidenschaf t in der Bewegung, die nicht
überholen werden kann. Solche Bilder zeigen
einmal eine andere Seite des chinesischen
Buddhismus, nicht die pantheistisch gestimmte
der Ch’an-Sekte, auf die man die ganze Male-
rei dieser Zeit festlegen zu können glaubte.
Noch wichtiger ist vielleicht, daß von solchen
Werken aus die Malerei der japanischen Tosa-
Schule eine entscheidende Aufhellung erfährt.
Darin liegt ja der Wert solcher Publika-
tionen, daß sie ein Material, das sonst im Ver-
borgenen bliebe, ans Licht bringen und der
ernsthaften Forschung zuführen. Von diesem
Gesichtswinkel aus ist es auch zu begrüßen,
daß einige späte Meister, deren Lebensdaten
bekannt sind, mit ihren Werken vertreten
sind, denn damit können wir unser Wissen um
422
die so wenig bekannte Malerei der Ming- und
der Manchu-Dynastien einen Schritt weiter
treiben.
Abgesehen davon sind die ausgezeichnet repro-
duzierten Bilder gerade durch die Mannigfal-
tigkeit im Motivischen wohl geeignet, den nur
ästhetisch eingestellten Betrachter einen Blick
tun zu lassen in das umfassende Interesse, das
der Chinese an der Welt des Sichtbaren nimmt,
mehr noch, in die Weite und Tiefe der chine-
sischen Humanität. Ludwig Bachhof er
GIUSEPPE FIOCGO: L’ABTE DI ANDREA
MANTEGNA. (Con i45 Illustrazioni. Casa
Editrice Apollo, Bologna 1927. In Ganz-
leinen Lire 90.)
Das Buch bringt mehr als der Titel verspricht;
denn es enthält 5o Jahre venezianischer Kunst-
geschichte der ersten Hälfte des i5. Jahrhun-
derts. Geistig und stilistisch hat bekanntlich
Toscana Veneticn beeinflußt und es ist des-
halb angebracht, den Spuren nachzuforschen
und die verschiedenen Strömungen zu berück-
sichtigen, welche in jener Periode maßgebend
waren. Diese Aufgabe hat sich Fiocco gestellt.
Ausgerüstet mit einem reichen Apparat kriti-
scher Forschung, war er wie keiner berufen,
diesen Zeitabschnitt des Werdens und der Blüte
Venezianer Kunst sachgemäß zu beleuchten.
Den Auftakt vermitteln die zwei Toskaner
Bildhauer Lamberti. Es folgen Paolo Uccello,
der die Mosaikkunst in Venedig zu bedeuten-
der Blüte brachte. Die Einflüsse Pisanellos
und Jacopo Bellinis werden untersucht, so
auch die Werke Dello Dellis, die Verfasser in
Salamanca studierte. Dabei kommt Andrea
del Gastagno, von dem Fiocco Fresken in S.
Zaccaria in Venedig entdeckte, nicht zu kurz.
Filippo Lippis Aufenthalt in Padua beein-
flußte die dortigen Künstler nicht wenig. Be-
sonders ausführlich wird der mittelmäßige
Squarcione und seine Schüler, samt dem jun-
gen Mantegna behandelt. Den Höhepunkt des
Buches bildet selbstverständlich Mantegna
o
selbst und seine Schule. Der Einfluß dieses
großen Meisters erstreckte sich auch aal Ve-
nedig. wo er nach Fiocco einen Puttenfries in
Fresco auf die Wand des Corner-Denkmals in
der Frari-Kirche malte. Dem Verfasser gelingt
nicht nur manche Richtigstellung, sondern
auch die Neuattribution zahlreicher Werke.
Für alle Forscher aber der venezianischen
Kunst wird das aufs würdigste ausgestattete
Werk unentbehrlich sein. L. Brosch
LAURENCE BINYON: LES PEINTURES
GHINOISES DANS LES COLLECTIONS
D’ANGLETERRE. 08 Seiten, 0', Tafeln.
Ars Asiatica IX. G. Van Oest, Paris und
Brüssel 1927.
Der neue Band der Ars Asiatica legt, wie der
Titel anzeigt, die wichtigsten chinesischen Ge-
mälde in englischem Besitz vor. Der Text Bi-
nyons ist angenehm zu lesen, er macht auf
eine leichtverständliche Art mit den histori-
schen Fakten bekannt, die zum Verständnis
der Bilder nötig sind. Mit vollem Recht mißt
Binyon manchen Werken, die Sir Aurel Stein
in Zentralasien gefunden hat, große Bedeu-
tung bei, denn sie sind in der Tat geeignet,
unsere bisher so lückenhafte Kenntnis der Ma-
lerei unter der T’ang-Dynastie (618—-906)
etwas aufzufüllen. Es versteht sich von selbst,
daß sich auf diesen Außenposten chinesischer
Kultur Kunstwerke von stark differierender
Qualität finden; das schließt jedoch nicht aus,
daß sich ein geschultes Auge die stilistischen
Eigentümlichkeiten der T’angmalerei heraus-
schälen kann. Dadurch fällt dann ein Licht
nach zwei Seiten: nach Westen hin auf die
Kunst der zentralasiatischen Oasen, nach Osten
hin auf die Malerei in Japan.
Von hohem kunstgeschichtlichen Interesse
sind dann die Fresken der Sammlung Eumor-
fopulos, die angeblich aus Honan stammen
und sicher noch der T’ang-Zeit angehören,
nicht weniger der Ausschnitt eines Bildes im
Britsh Museum, das dem Chao Kung-yu (12.
Jahrhundert) zugeschrieben wird, und den
Angriff des Dämonenheeres auf die Almosen-
schale des Buddha zum Vorwurf hat: das sind
Gestalten von unerhörter Ausdruckskraft, von
einer Leidenschaf t in der Bewegung, die nicht
überholen werden kann. Solche Bilder zeigen
einmal eine andere Seite des chinesischen
Buddhismus, nicht die pantheistisch gestimmte
der Ch’an-Sekte, auf die man die ganze Male-
rei dieser Zeit festlegen zu können glaubte.
Noch wichtiger ist vielleicht, daß von solchen
Werken aus die Malerei der japanischen Tosa-
Schule eine entscheidende Aufhellung erfährt.
Darin liegt ja der Wert solcher Publika-
tionen, daß sie ein Material, das sonst im Ver-
borgenen bliebe, ans Licht bringen und der
ernsthaften Forschung zuführen. Von diesem
Gesichtswinkel aus ist es auch zu begrüßen,
daß einige späte Meister, deren Lebensdaten
bekannt sind, mit ihren Werken vertreten
sind, denn damit können wir unser Wissen um
422
die so wenig bekannte Malerei der Ming- und
der Manchu-Dynastien einen Schritt weiter
treiben.
Abgesehen davon sind die ausgezeichnet repro-
duzierten Bilder gerade durch die Mannigfal-
tigkeit im Motivischen wohl geeignet, den nur
ästhetisch eingestellten Betrachter einen Blick
tun zu lassen in das umfassende Interesse, das
der Chinese an der Welt des Sichtbaren nimmt,
mehr noch, in die Weite und Tiefe der chine-
sischen Humanität. Ludwig Bachhof er
GIUSEPPE FIOCGO: L’ABTE DI ANDREA
MANTEGNA. (Con i45 Illustrazioni. Casa
Editrice Apollo, Bologna 1927. In Ganz-
leinen Lire 90.)
Das Buch bringt mehr als der Titel verspricht;
denn es enthält 5o Jahre venezianischer Kunst-
geschichte der ersten Hälfte des i5. Jahrhun-
derts. Geistig und stilistisch hat bekanntlich
Toscana Veneticn beeinflußt und es ist des-
halb angebracht, den Spuren nachzuforschen
und die verschiedenen Strömungen zu berück-
sichtigen, welche in jener Periode maßgebend
waren. Diese Aufgabe hat sich Fiocco gestellt.
Ausgerüstet mit einem reichen Apparat kriti-
scher Forschung, war er wie keiner berufen,
diesen Zeitabschnitt des Werdens und der Blüte
Venezianer Kunst sachgemäß zu beleuchten.
Den Auftakt vermitteln die zwei Toskaner
Bildhauer Lamberti. Es folgen Paolo Uccello,
der die Mosaikkunst in Venedig zu bedeuten-
der Blüte brachte. Die Einflüsse Pisanellos
und Jacopo Bellinis werden untersucht, so
auch die Werke Dello Dellis, die Verfasser in
Salamanca studierte. Dabei kommt Andrea
del Gastagno, von dem Fiocco Fresken in S.
Zaccaria in Venedig entdeckte, nicht zu kurz.
Filippo Lippis Aufenthalt in Padua beein-
flußte die dortigen Künstler nicht wenig. Be-
sonders ausführlich wird der mittelmäßige
Squarcione und seine Schüler, samt dem jun-
gen Mantegna behandelt. Den Höhepunkt des
Buches bildet selbstverständlich Mantegna
o
selbst und seine Schule. Der Einfluß dieses
großen Meisters erstreckte sich auch aal Ve-
nedig. wo er nach Fiocco einen Puttenfries in
Fresco auf die Wand des Corner-Denkmals in
der Frari-Kirche malte. Dem Verfasser gelingt
nicht nur manche Richtigstellung, sondern
auch die Neuattribution zahlreicher Werke.
Für alle Forscher aber der venezianischen
Kunst wird das aufs würdigste ausgestattete
Werk unentbehrlich sein. L. Brosch