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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 16
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Kunst-Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0544

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Sätzen des Verfassers anzuzeigen, wobei frei-
lich nur die Grund- und Elementarthemen des
weit reicheren Gebildes erklingen können.
„Da Stile nicht nur in ihren Grenzen schwan-
ken, sondern auch nuancentötende Verallge-
meinerungen bedeuten, sind sic mit Vorsicht
zu behandeln. Stile sind zugleich per-
spektivische Angelegenheiten, Ge-
nerationen sind biologische Tatsa-
c li e n.“
„Es gibt tatsächlich Gruppierungen ent-
scheidender Geburten. Es gibt also
auch Intervalle. Es besteht eine Neigung
der Natur zum ,Menschenalter' (25—3o Jahre)
als Maßeinheit (halb oder ganz gemessen) für
diese Intervalle. Es besteht ebenso eine Nei-
gung, in gewissen Zeiten die Intervalle zu kür-
zen, die Gesamtzeugung zu beschleunigen. Dies
sind sehr kritische oder sehr große Zeiten.
Die ganz großen Meister stehen in-
nerhalb deutlicher Geburtsschich-
ten.“
„Es gibt in den Intervallen auch Zwischenmei-
ster. Stehen sie gleich fern und nah zur vor-
angehenden und zur herannahenden Geburts-
schicht, so ist die Möglichkeit des stilgeschicht-
lichen Sonderlings sehr nahe (Piero di Cosi-
mo). Werden sie von der vorangehenden be-
stimmt, so nennen wir sie Spätlinge, auch
Vollender (Burne-Jones) — im entgegenge-
setzten Falle Bahnbrecher (Manet, Barocci).
Mit den Generationen werden Grundstimmun-
gc.n, Grundgefühle geboren, die sich in Ein-
heitsp roblemen äußern.“
Folgt eine hier nicht exzerpierbare, aufs Gan-
ze gehende Durchführung dieser Thesen durch
die europäische Kunstgeschichte als „Entwurf
einer Kunstgeschichte nach Generationen“ auf
etwa 5o Seiten als Kernstück des Buches.
Der neueren, nachmittelalterlichen Kunstge-
schichte, denn: „Nur völlig nichtanonyme
Epochen erlauben von vornherein eine Klar-
heit, die ,Datierungen' wagen könnte. Inner-
halb anonymer muß mit der Vorsicht datiert
werden, die die nichtanonyme Kunstgeschichte
lehren sollte. Gleichzeitig ist nicht
gleichaltrig, weder bei Künsten noch bei
Künstlern.“
Was nun die Künste selber anlangt, so behan-
delt Pinder „die Vorstellung ihres verschie-
denen ,Lebensalters' und eines dadurch ge-
setzmäßig bedingten (für u n s e r e Kultur gül-
tigen) Wechsels in der Führerschaft“, so daß
„Architektur, Plastik, Malerei, absolute Mu-
sik eine Schichtung wie von ,Generationen'
bilden, heute gleichzeitig vorhanden, aber nicht
gleich alt. Geburt aber geht vor Gleichzeitig-

keit des Daseins.“ „Es ist durchaus berech-
tigt, wenn wir für karolingische, ottonische,
salische Kunst die Aussage der Architektur
am höchsten bewerten. Aus dem gleichen
Grunde denken wir beim i3. Jahrhundert ■—■
im 12. tritt die Verschiebung ein — zuerst an
seine große Plastik. Aus dem gleichen Grunde
denken wir beim i5. Jahrhundert — im il\.
tritt die Verschiebung ein — in erster Linie
an die Malerei, an van Eyck und Masaccio,
den Genter Altar und die Brancaccikapelle.“
Durch die gemeinsame zeitliche Lhnklam-
merung hindurch sprechen entscheidend die
ganz verschiedenen Alterszustände der Künste.
„Die Wiederkehr des Großvaters im Enkel,
von vorwissenschaftlicher Weisheit längst
überall empfunden, von der Zivilisation'
vertrieben, ist die Grundformel auch für den
rhythmischen Wechsel zwischen den Stilen
und Generationen in der geistigen Geschichte.“
„Erst aus der Überkreuzung und Schichtung
von (mindestens) fünf Entelechien aber“ —■
es sind die der Künste und des Sprachlichen,
der Stile, der Generationen, der Einzelnen,der
Nationen und Stämme, wobei aber auch die
neue Ty p e nf or schung nicht vergessen
wird — „ergeben sich, als Resultanten, fälsch-
lich meist streckenhaft vorgestellt, die kunst-
geschichtlichen Zeiten'.“ Roh
VICTOR KURT HABICHT: MARIA. Ger-
hard Stalling Verlag, Oldenburg i. 0.
Das Werk behandelt in einer umfassenden
Arbeit Inhalt, Bedeutung und historische Ent-
wicklung des Marienkultes, zeigt die wichtig-
sten dichterischen und bildkünstlerischen Dar-
stellungen des Themas auf.
Ein einleitendes Kapitel beschäftigt sich mit
dem Wesenswandel der Maria in der Geschich-
te. Aus der Vorstellung der Apokalypse von
der präe-existenten Mutter, die aus dem Isis-
mythos unbedenklich übernommen ist, ent-
bleitet sich das Wesen der Maria zur Virgo,
Mater, Sponsa und zum Symbol der ecclesia
universalis. Die Auflösung dieser mystischen
Vorstellungen in rationell-nüchterne, die Ver-
truickung erotischer und ästhetischer Komplexe
mit der Marienverehrung, die Gestaltungen
des devotionell-zweckhaften Glaubens werden
in der dichtenden und bildenden Kunst auf-
gesucht. Die goldene Pforte in Freiberg, das
Marienportal des Freiburger Münsters, das
Portal der Lorenzkirche in Nürnberg stellen
nach Habicht Etappen der programmatischen
und künstlerischen Entwicklung des Marien-
bildes dar.

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