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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 1
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Rundschau
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Edvard Munch Lokal »Zum süßen Mädel«. Berlin 1907
Aus der Mannheimer Munch-Ausstellung

hruch: „Eifersucht“ 1913, „Weinender Akt
auf Rot“ — um nur diese zu nennen. Dane-
ben das gesamte graphische Oeuvre des Mei-
sters ausgebreitet, vom Gustos der Kunsthalle,
Dr. Ströbing, sorgsam chronologisch gereiht.
Dann wieder ruhige Natur: „Schneeschipper“
191/1, „Unter dem Apfelbaum“ (zehn Jahre
unter dem Pinsel 191/1 bis 192/1!), „Schnit-
ter“ 1916, „Große Küstenlandschaft“ 1918.
(Diese alle in der großen Halle zu starkem
Rhythmus vereinigt.) Großgeseliene ruhige
Stücke führen die Reihe weiter. Es ist, als ob
die Gegenwelt des Schreckens, der Ängste, zu-
rückgestaut sei — oder hat sie sich in der
Graphik ein eigenes Bett geschaffen! — Nein,
sie gewittert noch unter dieser ruhigen Schau.
Im Pinselstrich, im Ruckartigen des Konturs,
im plötzlichen Weiß, das als nackte Leinwand
zwischen den Farbentrubein auf geistert. Im
Jahre 192/1 dann die,,Zwei Herrn“ (Freunde
Munchs), eines der schönsten Bilder dieses
ganzen Werks. Groß und ruhig in den Raum
gestellt, in breiten Akkorden gesehn und ge-
staltet. Anschließend die neuesten Bilder: das
herbe Selbstbildnis: vor dekorativ wehendem
und doch so naturgefülltem Grund die Gestalt
des Malers im weißen Hemd, die Palette in
Händen, das Gesicht in eine Schau verbissen,
die nicht losläßt. Und dies Gesicht, ausstrah-
lend von der Nasenwurzel in radialen Falten,

der Mund in feste Kurve gespannt. Das Ganze
hell in den Tönen, fast schroff und doch von
einer beglückenden Weite. Dann „Mädchen
im Garten“ (mehrfach abgewandelt), „Zwei
Pferde im Wald“, das eine plötzlich erschreckt,
wegstrebend vom andern, sich bäumend.
„Landschaft mit rotem Haus“, harte Achsen
und Winkel, kräftige Farbkontraste, über dem
Ganzen doch eine sehr breit gelebte Stim-
mung, fest und stark.
Also Erfüllung: dieses Schaffens? Ja — hier
sind sie alle gebändigt, diese unheimlichen
Mächte, die so erschreckend immer wieder
aufstörten in diesem Erleben. Und hier ist die
tiefe Glut gehalten, die aus der Erde aus-
strömt, direkt in dieses Schaffen hinein. Und
doch — was treibt einen in dieser Ausstellung
so wirr umher? Was läßt einen nicht zur
Ruhe kommen, trotz dieser reifen letzten Bil-
der, trotz dieser versöhnten Schau einer macht-
voll auftreibenden Natur? Was drängt hier
immer noch nach Sättigung? Welche furcht-
bare Gier wühlt da noch immer hinter der
Ruhe? Ist es das Großschöpferische, das Ewig-
unerlöste? Ist es ein Dämon, uns nicht faßbar
— und doch heimlich aufbrausend aus jeder
Regung dieses Schaffens, noch heute im Schaf-
fen des reifen Sechzigers?
Gewiß, der Historiker wird hier genugsam
Aufschlüsse finden. So, daß in einem fast ne-
 
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