Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers (19.1927)

Manet Austernstilleben
Aus der Ausstellung der Galerien Thannhauser im Berliner Künstlerhaus

in Krinolinen bis zu der Höhe mit den »Spielern« und mit dem fast aquarell-
mäßig gemalten Jungen in der roten Weste, der auch auf dieser Ausstellung
zum Glanzpunkt wird. Als Liebermann neulich das Bild sah und sich einer der
Besucher über den langen Arm des Jungen beschwerte, meinte er, der sei so
schön, daß er noch viel länger sein könnte. — Auf der van Gogh-Wand neben
den Hauptstücken aus den Sammlungen Durieux-Cassirer und Giulietta von
Mendelssohn manches weniger bekannte, interessante Bild aus Arles und Au-
vers. — Manet, Renoir und Degas, auch Monet und Pissarro, zumal die beiden
letzteren sind vollständiger denkbar, da die großen Schlager aus den Frühzeiten
fehlen; aber man findet wenig Lücken und kaum ein entbehrliches Exempel.
Mit schönen Werken, aber lange nicht nachdrücklich genug, werden Delacroix
und Corot gezeigt. Freilich war die Ergänzung schwer zu erreichen, zumal für
den Kunsthändler, der die Nachfrage in Rechnung stellen muß. Die blinde
Mode hält sich noch immer von den beiden größten Meistern unserer Zeit zu-
rück. Es gibt seit einer geraumen Weile im Berliner Kunsthandel zwei Haupt-
werke von Delacroix, die längst verkauft wären, wenn sie die Signatur van Goghs
trügen. Vincent wäre der erste, um mit aller Leidenschaft seiner Vergötterung
des Meisters gegen die Blasphemie zu protestieren.
Eine wesentliche Baisse des Niveaus wird bei einigen lebenden Malern bemerk-
bar; ich meine natürlich das relative Niveau. Signac, Bonnard, Matisse, Derain
konnten mühelos besser gebracht werden. Leute zweiten und dritten Ranges
wie Vlaminck usw., mit denen man ein belangloses Kabinett gefüllt hat, wären
besser weggeblieben.

44