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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 3
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Kohlhaussen, Heinrich: Über eine gotische Lüneburger Truhe
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0106

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Abb. 2. Lüneburger Truhe Um 1500

Seidenstoffe mit gegenständigen Vögeln waren, die noch der heutige Besucher
des Lüneburger Museums bewundern kann), und dem Tierfries unten mit
den gertenhaft schlank gebogenen Leibern von Hirsch und Hunden. Es ist
der Stil um 1400. Die Stollenbretter verraten ihren jahrhundertlangen Ab-
stand durch eine nicht ganz geglückte Angleichung an den früheren Stil. Im
Mittelteil ein gleichmäßiges Füllen der Fläche mit geschnitztem Zierat, auf
den Stollen große Leerflächen um die Wappen und in den weichlich am Rand
hochwachsenden Ranken ein ungeschicktes Kopieren der frühen Blattformen,
die dort metallisch scharf, hier lappig weich und aufgedunsen erscheinen.
Ebenso deutlich zeigt die Fortsetzung des Tierfrieses auf den Stollenbrettern,
daß das Auge des Nachahmers die schlanken bogenförmig stilisierten Hunde-
körper nicht anerkannte. Seine Hunde sind breitköpfig, gedrungenen Leibes
und von naturhafterer Form.
Außerdem ist das Maßwerk auf den Stollenfüßen unterhalb der Tiere auf den
Lüneburger Truhen des spätestgotischen Typus anzutreffen, aber, wie das an-
geführte Beispiel eines 1876 in Lüneburg erworbenen Stückes lehrt (Abb. 2),
als durchlaufender Fries. Selbst die Wiedergabe läßt erkennen, daß an der
Lebensaltertruhe die Maßwerkabschnitte der Stollenfüße in sich geschlossen
sind, also von Anfang an nicht mit einer Fortsetzung nach der Mitte gerechnet
war — eben weil ein altes Mittelteil zur Verfügung stand. Die Tatsache
nun, daß man um 1500 ein fast hundert Jahre altes Zierbrett zu Ehren
brachte, indem man es — wohl nicht zuletzt ob seiner für eine Hochzeitstruhe
gültigen Darstellung — als Mittelstück beließ1, ist weniger wichtig, als der
1 An Sparsamkeitsrücksichten zu denken, ist unangebracht, handelt es sich doch um
die Familie eines Sülfmeisters im damals blühenden Lüneburg, der zudem Schwieger-
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