Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927
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Viktor Tischler
Ausgestellt in der Galerie Casper, Berlin
schraubt, gegeneinander ausgewogen ist, wie
die Errungenschaften des Kubismus nunmehr
in neuem Sinne verwertet werden, wie die
Farbe nicht nur konstruktiver Faktor, sondern
auch Lichtträger geworden ist, das alles
zwingt Achtung ab und deutet darauf hin, daß
der Maler sich auf dem richtigen Wege befin-
det, wenn auch das letzte bei weitem noch
nicht erreicht ist. Über Tischler brachte der
Cicerone 192 4 einen reich illustrierten Aufsatz
aus der Feder von Arthur Roessler, auf den
an dieser Stelle verwiesen sei. Gegen Tischlers
Kunst fällt die Oskar Gawells sehr ab. Alte
Weisen werden hier nicht einmal gut gesungen.
Von persönlicher Formanschauung oder auch
von dem Bestreben, in den Geist des eigenen
Tages einzudringen, spürt man noch nichts.
Nur unvollkommen wird dies auch von Hein-
rich Ehmsen erreicht, der in der Kunst-
kammer in der Leipziger Straße
sich vorstellt. Es handelt sich, wie Lothar Brie-
ger in seinem Vorwort schreibt, um einen
vierzig jäh rigen Künstler, im Holsteinischen
geboren, der nach schwerer Jugend, hartem
Handwerk autodidaktisch zum Maler und
Künstler sich gebildet, jetzt in München lebt.
Er hat einige Zeit in Paris verbracht, wo er
in enger Fühlung stand mit dem Kreise des
Cafe du Dome. Der Einfluß von Gross, Dix
und Beckmann ist offensichtlich, auch das
Bestreben, aus wildem Expressionismus zur
festen Form zu gelangen.
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Werbung. Öl. 1923
Sammlung M. Oppenheim, Berlin
Eine amüsante Schau von „Malern, die
keine sind“, zeigt der Axel Junker-
Verlag am Kurfürstendamm, dem wir
den Überblick über die vorzüglichen Zeich-
nungen Rudolf Großmanns vor einigen
Wochen verdankten. Die Dilettantenausstel-
lung legt Werke von Leuten der Öffentlich-
keit vor, die in ihrem Leben ihr Geld mit
wesentlich anderen Dingen verdienen. Viel-
leicht wäre es überhaupt das Richtige, mit
Kunst und dem lieben Gott keine Geschäfte
zu machen. — Sehr interessant ist es, wie die
Seelen sich enthüllen. Der Besitzer eines be-
rühmten Restaurationsbelriebes malt zarte, ly-
rische Berglandschaften, der Inhaber einer
Buchhandlung, der im Laden steht und mit
liebenswürdiger Gemessenheit die Leute zu
überreden versucht, ab und zu ein gutes Buch
zu kaufen, sieht Himmel und Erde in Flam-
men stehen und rast sich in einer schwärme-
rischen Hingabe an das All aus, ein Strumpf-
fabrikant malt sichere Porträts und schil-
lernde Aquarelle, ein berühmter Schauspieler,
massiger Charakterdarsteller, ist ganz duftig
und feinfarbig in seinen Bildern, voll subtiler
Brechungen, die Konturen aufgelöst in Luft
und Licht. Als bedeutendes Talent jedoch ragt
nur Arno Nadel, der Dichter, empor, des-
sen Bildnis Adolf Kestenbergs sich fest in das
Gedächtnis einprägt.
Sehr erfreulich ist die Wandlung, die sich mit
Felixmüller vollzogen hat, von dem eine