Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927
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Gustave Courbet Die Badende
Ausgestellt bei Hugo Perls, Berlin
WIENER AUSSTELLUNGEN
Einen Meister der Graphik von sehr persön-
licher Prägung zeigt das Werk des Thürin-
gers Thalmann, das bei Nirenstein („Neue Ga-
lerie“) zur Schau gestellt ist. Schon aus den
frühen Kreidelandschaften, die in prachtvol-
lem Schwung hingeschrieben sind, läßt sich
die Entwicklung des Künstlers zum Schöpfer
monumentaler Kompositionen vorausahnen.
Wundervoll die Melodik und Rhythmik der
ganz auf den Kontrast des Schwarz-Weiß ein-
gestellten Holzschnitte. Als ob Orgelton durch
die Hallen seines von tiefster religiöser Mystik
umwitterten „Domes“ brauste. In der dem
„Dom“ zeitlich vorausgehenden „Passion“
vereinen sich Nacht und Licht, Mensch und
Natur zu einer Symphonie des Leides und der
Erhebung. Was sich hier in der Natur entlehn-
ten Formen an überschäumendem Empfinden
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Rahn bricht, erscheint in der Abstraktheit des
„Dom“-Zyklus zu höchster Geistigkeit geläu-
tert, um in der „Amerika“-Mappe den Boden
„Neuer Sachlichkeit“ zu gewinnen. Der Weg,
der von dem einen Zyklus zu dem andern
führt, ist der Weg, den die Entwicklung der
Kunst in den letzten Jahrzehnten genommen
hat. Seiner Logik wird man sich selten so be-
wußt, wie vor den Schnitten Thalmanns, die
von dem ersten Blatt bis zum letzten von dem
Herzblut des seine Zeit mit seinem ganzen
Fühlen miterlebenden Künstlers getränkt
sind. —
Der blutjunge, aus Oberösterreich stammende
II. Ploberger, den die Schau bei TYürthle
(seine erste Kollektivausstellung) als einen be-
achtenswerten Schößling jung-österreichischer
Kunst bekannt macht, ist der einzige in die-
sem gemütlichkeitsduseligen Land, der sich