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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 3
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Sammler und Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0124

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V. van Gogh Näherin. Um 188g
siehl man den erstarrten Glanz ihres mono-
tonen Lebens. Daheim arbeiten in dunk-
len, trüben Stuben Männer und Krauen am
Webstuhl, draußen auf dem Felde sind sie
noch in der Dämmerung damit beschäftigt,
Kartoffeln auszugraben. - Die tiefe Schwer-
mut, welche die Seele van Goghs damals um-
dämmerte, umhüllt auch seine Gestalten.
Als er 1886 nach Paris kam, geriet er zu-
nächst unter den Einfluß Monticellis, später
unter den von Seurat, Monet, Sisley und den
der französischen Impressionisten überhaupt.
Man spürt noch seine holländische Palette in
dem „Viadukt“, aber seine Palette ist auf-
gehellt, leuchtender geworden. — Schon in
Holland hat er sich einige Male selbstporträ-
tiert, düster und trübsinnig. Unter dem Ein-
fluß des Pointillismus malte er sich in Paris
des öfteren. Das schöne Selbstbildnis, das sich
in dieser Kollektion befindet, stammt aus dem
Jahre 1887 und ist das Vorbild für die spä-
teren Selbstporträts mit dem großen gelben
Strohhut, von denen sich heute ein sehr schö-
nes Exemplar im Museum von Detroit be-
findet. - - Die helle Landschaft, welche einen
starken Einfluß der französischen Schule ver-
rät, ist ein höchst interessantes Beispiel für
den Übergang van Goghs zur leuchtenden
Farbenskala, welche in Arles ihren höchsten
Ausdruck erreichen sollte.

Die Bilder sind alle in meinem Katalog auf-
genommen und dort reproduziert. — Man
sollte die seltene Gelegenheit, sechs unbekannte
Bilder van Goghs besichtigen zu können, nicht
versäumen.
DIE WANDTEPPICHE DER TOURAINE
Die Dezemberausstellung gotischer Bildwirke-
reien, die der Arts Club of Chicago unter Lei-
tung von Dr. Phyllis Ackerman veranstaltete,
verdient als erster Versuch, die vielumstritte-
nen Folgen von Tournai und der Touraine
unter einen Nenner zu bringen, besondere Be-
achtung. Der gut ausgestattete Katalog umfaßt
21 Nummern, die Behänge — zum Teil zum
ersten Male der Öffentlichkeit bekanntgege-
ben — wurden im wesentlichen von dem füh-
renden amerikanischen Kunsthandel zur Ver-
fügung gestellt. Frau Phyllis Ackerman be-
streitet in der Hauptsache die Existenz der
Bildwirkerateliers der Touraine, sie verweist
die Stücke fast ausschließlich an die Manu-
fakturen von Tournai und Oudenaarde. An-
gelpunkte für die Zuschreibung sind die mehr
oder minder gesicherten Malernamen, die als
Buchstabenschmuck in den Gewändern usw.
der dargestellten Personen in Erscheinung
treten. Die Deutung der ornamentalen Initia-
len im Sinne historischer Persönlichkeiten ist
an und für sich nicht neu. Daß die Methode
nicht allgemein angewandt wurde, liegt in


V. van Gogh Kartoffelschälerin
(Rückseite des Selbstbildnisses)

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