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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 4
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Wescher, Paul: Zwei niederländische Bildnisse
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0141

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ist er Abt von S. Bavo in Gent. Schließlich in die Religionsstreitiekeiten ver-
wickelt, nimmt er 1569 den Abschied, widmet sich ganz seinem geistlichen
Amt und stirbt ohne Nachkommen im Jahr 1577 in Brüssel. Sein Bildnis
wurde von Philipp Galle gestochen. Außerdem begegnet es auf einer Münze,
die 1571 geschlagen wurde.
Von der Beobachtung ausgehend, daß ein gemaltes niederländisches Porträt
der Galleria Brignole Sale in Genua (dort als Lucas v. Leyden), welches in
mehreren Repliken vorkommt, (u. a. aus späterer Zeit im Pitti, Florenz),
mit dem bezeichneten Stich des Ph. Galle in der Person des Dargestellten
übereinstimmt, und zwar so, daß der Stich (im Gegensinn) offenbar nach
diesem Bild gemacht wurde, kommen wir nicht nur auf den Namen des
in dem Genueser Bilde porträtierten Viglius Aytta, sondern auch auf den
des bisher unbekannten Malers.
In dem kurzen Bericht, den van Mander dem Maler Frans Pourbus d. ä. widmet,
wird als ein I lauptwerk ein Triptychon dieses Meisters für den Präsidenten
Viglius in S. Bavo in Gent erwähnt. Dieses Triptychon, das Viglius Aytta,
Abt von S. Bavo, Präsident des Hohen Rates bestellte, befindet sich in der
Tat noch heute in der Bavokirche, nachdem es vorübergehend durch das
französische Revolutionsheer nach Paris verschleppt worden war. (Eine Re-
plik mit geringen Varianten war 1906 auf der Ausstellung in Lüttich, aus
Privatbesitz.) Der Stifter ist in ganzer Figur auf den Außenflügeln darge-
stellt, außerdem noch einmal im Mittelbild (Jesus im Tempel) im Kreis Karls V.,
Philipps II., des Herzogs von Alba, des Kardinals Granvella u. a. Leider
lassen Erhaltung und Aufstellung des Altars die Porträts kaum erkennen,
geschweige denn irgendeinen Erinnerungseindruck von ihnen zurück. (Ver-
geblich wies schon vor dem Krieg Hulin de Loo im Bullet, de la societe
archeol. de Gand 1906, S. 62 auf diesen Übelstand hin.) Es liegt gleichwohl
nahe, den Maler des Genueser Bildes in der Nähe dieses Altars zu suchen, und
wie der stilistische Vergleich mit anderen Bildnissen von F. Pourbus d. Ä.
ergibt, ist er auch dessen Urheber.
Über den Bildnisstil des F. Pourbus herrscht im ganzen noch geringe Klar-
heit. In der Zuschreibung wurde bei ihm immer ziemlich skrupellos verfahren.
Sicher von seiner Hand und in der künstlerischen Mache vollkommen ein-
heitlich sind u. a. die folgenden Bildnisse: Berlin K. F. M. Nr. 683/6, Braun-
schweig Nr. 55, Dresden Nr. 833, Wien Gern. Gal. Nr. 1127, Modena Pinak.
Weibl. Bildnis, Karlsruhe Gal. Nr. 160/61 (bisher Art d. Moro, früh, 1561,
in Zusammenarbeit mit P. Pourbus), Petersburg Eremitage Nr. 485/6, Stutt-
gart Gern. Gal. Nr. 464b, Gent Mus. Nr. 1907E und schließlich Genua. Daß
dieses letztere in der gleichen Zeit entstanden ist wie das Genter Triptychon,
ist wahrscheinlich, das wäre um das Jahr 1571. 1566 kam F. Pourbus zum
ersten Male nach Gent; er kam, wie wir wissen, auf der Italienreise nicht
weiter als bis Gent und traf dort Lucas de Heere, einen Mitschüler aus der
Werkstatt des Floris. Vielleicht, es steht zu vermuten, knüpften sich durch
ihn die Beziehungen zu Viglius Aytta, die zu dem Bildnisauftrag und weiter
zu dem sogenannten Triptychon führten.
 
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