Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927
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Fernand Leger Der Flieger. 1920
Ausgestellt in der Städtischen Kunsthalle, Mannheim
Mit Genehmigung der D. A. A.
BERLINER AUSSTELLUNGEN
Die hervorragendste unter den Ausstellungen
dieses Monats ist die Stillebenschau, ver-
anstaltet von der rührigen Galerie Mat-
th i e s e n, über die ein Sonderaufsatz im
Hauptteil dieser Zeitschrift berichtet.
Sehr bemerkenswert scheint mir, zum min-
desten in ihrer Idee, eine kleine Ausstel-
lung der jungen Künstler zu sein, die
die Deutsche Kunstgemeinschaft in
den Raumen des Berliner Schlosses abhält.
Wie schwer es die junge deutsche Künstler-
schaft hat, ist allgemein bekannt. Ihr fehlt
die Kontinuität der Entwicklung, die die
stürmischen Jahre des Expressionismus abge-
rissen hat. Mit Mühe muß das Technische,
das verlorengegangen war, wieder erlernt wer-
den. Dabei lauert im Versteck schon die be-
häbige Reaktion, immer bereit, sich die Jun-
gen einzufangen unter dem prahlerischen Hin-
weis, man habe es ja immer schon gesagt,
daß die ganze Modernität nichts tauge. So
müssen die jungen Leute heute ohne Privat-
vermögen, in einem furchtbaren Atelierman-
gel, kämpfend zwischen zwei Fronten, mühe-
voll sich einen Weg bahnen. Der deutsche
Kunsthandel unterstützt sie mit wenigen schö-
nen Ausnahmen so gut wie gar nicht. Er hat
sich zumeist einem schrankenlosen Franzosen-
kult ergeben, während es seine Aufgabe ge-
rade jetzt wäre, der jungen deutschen Gene-
ration einen Halt zu geben. Unter diesenUm-
ständen ist es erfreulich, daß in der deut-
schen Kunstgemeinschaft ein Asyl geschaf-
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fen werden soll, eine Stelle, wo man sich
über die Kunstentwicklung des eigenen Lan-
des orientieren kann. Daß diese erste Aus-
stellung noch nicht das bietet, was sie ein-
mal wird bieten müssen, ist selbstverständ-
lich. Besonders ist uns B. Gilles, ein Kölner,
aufgefallen, der eine Braut gemalt hat, wie
sie aus einem grau ausgeschlagenen Automo-
bil aussteigt, sehr fein in der Formbehand-
lung und in der Farbe und sich scharf der
Erinnerung einprägend. Von demselben ist
auch ein Bild da, „Tanzschule“, nicht ganz
auf der Höhe des erstgenannten stehend, aber
doch beachtlich. Wir wollen auch hinweisen
auf ein Stilleben mit Zollstück von Sieg-
fried Sebba und auf ein sehr gutes Selbst-
bildnis von Huth.
In den Räumen des Sturm stellt der Zei-
chenlehrer des Kant-Realgymnasiums in Karls-
horst, Hugo Haendel, Schülerjzeieh-
nungen aus. Sie sind deshalb interessant,
weil sie sich nicht nur auf die üblichen In-
tuitionsprodukte beschränken, die ja in den
letzten Jahren überreich der Öffentlichkeit
vorgelegt worden sind, sondern weil hier ein
methodischer Lehrgang gezeigt wird von der
untersten Stufe bis zur Prima. Man sieht, wie
die Intuitionsarbeiten bei der zweiten Stufe
abgelöst werden durch Farbe und Formübun-
gen, und wie dann nach dieser sorgfältigen
Schulung den Knaben von neuem die Mö-
lichkeit zu kompositorischer Eigenarbeit ge-
geben wird. Ziemlich verunglückt dabei sind
eigentlich nur die Bühneninszenierungen, die