Constantin v. Mitschke-Collande. Adelheid
Ausgestellt in der Galerie Baumbach, Dresden
Baumeister etwa gehalten könnte man fast
glauben, das Verhältnis von malerischer Deli-
katesse wie geistiger Klarheit habe sich zwi-
schen den Nationen umgekehrt. Ist dies
das Bedürfnis, der Sinn der künstlerischen
Revolution? Interessante Entwicklungen in-
nerhalb des Schaffens sind besonders bei Ro-
bert Delaunay (dessen Sportbilder sehr
überzeugen) wie bei Albert G1 e i z e s aufge-
zeigt. Dieser, von der einstigen tonalen Schön-
heit in aparte kreidige Kühle und zu hartnäk-
kigen Profilierungen entrückt, wirkt nun sehr
herb und verschlossen zwischen Andre Lho-
t e s körpernaher Kurven-Klassizität und eini-
gen tonschönen Legers. Der hochqualifi-
zierte Kern der Pariser Abstraktion bleibt
auch hier unbedingt Picasso, nicht reich
aber mit einer fein in Grau zusammenge-
gestimmten Wand intim und musikalisch wie
immer vertreten. Bracque und Gris versa-
gen quantitativ, Emil Filla, abgeleitet und
derb, kommt doch zur Wirkung. Auch Mar-
coussis ist mit guter Arbeit zur Stelle. An-
dere Namen verschwinden. An Bela Kädärs
Märchenträumen ist wenig Abstraktes im
strengen Sinn. Feininger ist nur mit der
soeben von der Kunsthalle angekauften ,,Bar-
füßerkirche“ vertreten. Plastik tritt sehr zu-
rück: Archipenko, Henry Laurens.
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Das Kunsthaus von Dr. Tannenbaum hat
in den letzten Wochen durch wechselnde Aus-
stellungen viel Anregung vermittelt. Eine grö-
ßere Auswahl schöner Utrillos fand star-
kes Interesse. Der schwäbische Plastiker J. W.
Fehrle, einst von der Gotik kommend,
zeigte in der naturnahen Entwicklung seines
neueren Schaffensabschnitts (Porträtskulptu-
ren) reife und herbe Geschlossenheit. Zuletzt
waren eine Kollektion der phantasievollen
Zeichnungen aus Dagobert Peches Nachlaß
und des Karlsruhers Gustav Wolf gefällige
Verarbeitungen von Reiseeindrücken zu sehen,
die nun von Bronzeabgüssen Degas scher
Plastiken (einer neuen Spezialität des Kunst-
handels) abgelöst werden. Erich Dürr
DRESDNER AUSSTELLUNGEN
ConstantinvonMitschke-Collande,
der in der Galerie Baumbach seine erste Kol-
lektivausstellung macht, hat die Vierzig be-
reits überschritten; er hatte nie Eile und hätte
vielleicht noch länger gewartet, wenn nicht die
wirtschaftlichen Verhältnisse ihn dazu gezwun-
gen hätten. Er ist Schlesier, aus alter, seit
Jahrhunderten an der polnischen Grenze an-
sässiger Familie, schwerfällig, indolent, dem
Betrieb abhold. Der romanische, oberitalieni-
sche Bluteinschlag verbindet ihn mit der west-
lichen Kultur, der östliche mit der Beschau-
lichkeit und Schwere der Slawen. Vor dem
Krieg hatte er zu leben, reiste in der Welt
herum, bummelte, studierte, experimentierte,
war iQii/12 in Paris bei Denis und Leger,
machte den Krieg mit und war 1919 einer der
Mitbegründer der Sezession in Dresden. Dann
kamen allerlei dekorative Aufgaben (u. a. die
Kirche in Lauchhammer bei Riesa), von denen
nie etwas veröffentlicht wurde. Bühnenge-
staltungen von ihm waren auf der Internatio-
nalen Theaterausstellung inNewAork 1926. In
letzter Zeit zog sich Mitschke-Collande wieder
auf die eigentliche Atelierarbeit zurück.
Einflüsse der Dresdner „Brücke“ sind bei ihm
ebensowenig zu spüren wie die des Dresdner
Verismus, obwohl Dix mit bei der Sezession
war. Die visionäre Auffassung und Umfor-
mung der Wirklichkeit blieb ihm ebenso fremd
wie die Dämonie des Zersehens. Sein Weg ging
am Impressionismus vorbei, durch die pathe-
tische Revolution der Nachkriegszeit hindurch
zu einer mehr pastoralen Erfassung und Dar-
stellung der Welt. Er hat Freude am bloßen
Dasein der Dinge, ihrem Beieinander, er malt
gern die harmonische Entspannung und
gleicht ihr Farbe und Form an. Seine Um-
formungen sind wie die Farbenklänge ledig-