Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

DOI Heft:
Heft 7
DOI Artikel:
Friedländer, Max J.: Zur Londoner Leihausstellung belgischer Kunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0230

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
S. 141 ff.). Diest liegt auf halbem Wege zwischen Maastricht und Antwerpen,
keiner anderen Kunststätte so nahe wie der Stadt Löwen. Der Meister dieses
Bildes scheint weder von Jan van Eyck noch von Rogier berührt zu sein.
Dennoch halte ich die Entstehung des Werkes in der Zeit vor 1 430 für un-
wahrscheinlich. Der Versuch, Schlüsse aus dem Studium eines so vereinzelten
Monumentes zu ziehen, ist von vornherein zur Unfruchtbarkeit verdammt.
Dieses Beispiel einer sonst verschollenen Produktion vermag nichts weiter als
uns die vage Vorstellung zu bieten von der Tradition, mit der das Genie Jan
van Eycks brach. Wir wissen nicht, was um 1430 in Antwerpen oder in
Löwen vorging, und dürfen uns nicht verleiten lassen, die in Diest erhal-
tene Tafel mit Köln oder Tournay in Verbindung zu bringen, weil sich zu-
fällig in Köln und Tournay Reste erhalten haben von einer, in ihren Spiel-
arten unbekannten, überall in den Niederlanden herrschenden Kunstübung.
Die Heroenzeit, mit der herben Frische des frühlingshaften Anbruchs, zeich-
nete sich auf der Ausstellung eindrucksvoll ab. Jan van Eyck mit allgemein
bekannten Schöpfungen, Rogier noch weit reicher. Petrus Christus trat be-
sonders glücklich auf mit dem Mönchsporträt, das kürzlich aus Spanien in den
Handel gekommen ist, mit der Geburt Christi, die aus Genua stammt (jetzt
bei Herrn H. Goldman in New York), mit dem kleinen Hieronymus (Abb. 2),
der aus deutschem Adelsbesitz in das Museum von Detroit gelangt ist, und dem
Porträt Edward Grimstons (Earl of Verulam). Nicht ganz überzeugend unter
dem Namen Petrus Christus ausgestellt das große, etwas leere Männerporträt,
das zur Holford-Sammlung gehört.
Rogier zeigte sich namentlich als Porträtist. Die Reihe der ihm zugeschrie-
benen Bildnisse war nahezu vollständig, wobei sich Bestätigung vertraut ge-
wordener Ansichten ergab. Die drei nach Amerika abgewanderten Porträts,
der Lionello d’Este (Friedsam-Sammlung, New York), die Frau aus Dessau
(Mellon-Sammlung) und die am wenigsten bekannte Fürstin, die aus der Samm-
lung M. de Rothschild (Paris) zu John D. Rockefeller jr. gelangt ist, waren für
die Zeit der Ausstellung zurückgekehrt. Die mit der Inschrift »Persica Sibylla«
versehene Dame, von mittlerem Lebensalter, ist, wie W. Stein (Jahrb. d. pr.
Kunsts. 1926) wahrscheinlich gemacht hat, die 1397 geborene Isabella von
Portugal, die dritte und letzte Gattin Philipps von Burgund. Die Entstehungs-
zeit — um 1450 — paßt zum Stil der Tafel. Die Feststellung der Persönlich-
keit gelingt zwar nicht, jeden Zweifel ausschließend, durch Vergleichung der
Zeichnung aus dem Succa-Codex (öfters abgebildet, auch von W. Stein a. a. O.),
wohl aber bei Untersuchung des seltsamen, sonst kaum nachweisbaren Kopf-
putzes mit der vertikalen Spange, die vor dem Ohr abwärts stößt. Eine Haube
von dieser Art trägt Isabella auch auf den beiden unbedeutenden, in den For-
men und Zügen des Kopfes wenig individuellen, Bildnissen im Museum zu
Gent und im Louvre. Alle ausgestellten Porträts von Rogier sind abgebildet
in meiner Altn. Malerei Bd. II, mit Ausnahme des kleinen Männerporträts in
der Sammlung Samuel, von dem ich hier eine Abbildung (3) zeige. Der so-
genannte Meister von Flemalle war leider nicht recht vertreten.
Die einzige aufregende Neuigkeit auf der Ausstellung war eine winzige Tafel
mit dem hl. Georg, die aus Rußland stammt und von Lady E. Mason unter
dem Titel »attributed to Hubert van Eyck« eingesandt war. Miniaturartig

208
 
Annotationen