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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 7
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0245

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Merton Clivette
unter der Leitung des Mr. Hellman steht, wur-
den eine Reihe erstaunlicher, z. T. scheinbar
mit dem Spachtel förmlich hingeworfener Bil-
der eines alten Mannes gezeigt, der ein gar
bewegtes Leben hinter sich hat. Clivette, wie
er sich nennt, war Zirkusmensch, Vagabund,
Pferdedieb, Jongleur und was nicht sonst noch
alles. Als der „Kavalier in Schwarz“ war er
vor Jahren eine bekannte Persönlichkeit nicht
allein in Amerika. Er spielte sich auf den Me-
phisto heraus und in solchem Kostüm, sogar
mit veritablem Pferdehuf jagte er einmal in
der Westminster Abbey die ängstlichen Besu-
cher in wilder Flucht vor dem leiblichen
Gottseibeiuns! Einst besuchte er Rodin und
arbeitete sogar bei ihm, wie er wenigstens be-
hauptet. Von ihm schuf er schon vor Jahren
ein höchst charakteristisches Porträt. Vor ein
paar Jahren aber ergreift den alten Jongleur
mit dem haarscharfen Auge, den sicher zu-
greifenden Händen und dom blilzschnellen
Hirn eine unwiderstehliche Lust zum Malen.
Sein Gedächtnis ist gefüllt mit hunderten der
seltsamsten Gestalten und Erlebnisse, die
traumhaft und doch geradezu leibhaftig in in-
neren Gesichten Besitz von ihm ergreifen.
Und wenn sie über ihn kommen, kann er nicht
anders als mit dem Pinsel drauflosarbeiten,
als sei er besessen, stunden-, fast tagelang.
Aber sein Jongleurtum — das Über-dem-Be-
sessensein-Schweben — hält doch Wacht, und
so kommen erstaunlichste Gebilde, sozusagen
unbewußte Bewußtheit, zustande, die begreif-
licherweise grade viele Künstler hier unwider-
stehlich angezogen haben, so daß sie zu Käufern

Vor dem Schneesturm
The New Gallery, New York
der Bilder dieses Allen geworden sind. Da
rast eine Kavalkade über die Ebene: Pferde,
Reiter, Landschaft, Luft, alles ist ein Sturm
geworden. Er haut ein paar Pinselstriche zu-
sammen, und sie formen sich zum Gesicht
Walt Whitmans, des großen ursprünglichen
amerikanischen Hymnen- und Freiheitsän-
gers; in einer Art Furioso formen sich ihm
Schwarz, Gelb und blutiges Rot zu Streifen
und Flächen, und Blakes furchtbare Vision
steht leibhaftig vor einem. Dieser Mann ist in
seiner Art wahrlich ein Unikum, von erstaun-
licher Vitalität; freilich zu ernst soll man ihn
nicht nehmen. Er tut es selber nicht und lacht
mephistophelisch über Gott und die Welt und
sich selber!
An Kunst aus Deutschland sah man letzt-
hin mancherlei: so bei Knoedlers wundervolle
alte Drucke der frühen Meister. Dann kamen
die Beuroner Mönche mit ihrer etwas hieich-
süchtigen Kunst, die aber hier in gewissen
Kreisen einschlug. Sodann stellten hier die
Frau Ruemann, geborene Prinzessin von
Schleswig-Holstein, und die Baronin Schnei-
der-Glend aus; die ersterc recht ansprechende
Blumenstücke und einige feinfühlige Aqua-
relle bei Mrs. Sterner (American Patrons
of Art); die letztere, einige tüchtige Porträt-
büsten. Freund
TRÜBNER IN BERLIN
Die Galerie Haberstock hat eine wirklich
bedeutende Trübner-Ausstellung eröff-
net, wohl aus dem richtigen Gefühl heraus,
daß der große süddeutsche Meister sehrzuün-

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*6 Der Cicerone, Jahrg. XIX, Heft 7
 
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