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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 7
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0248

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stellen Poussin als Nationalheros auf das Pie-
destal und erhalten von der Gesetzmäßigkeit
seiner Kunst für die ihrige die Richtlinien.
Die Deutschen greifen auf die Kunst Dürers
zurück, bevor er nach Italien gegangen, auf
die einfachen Holzschnitte der alten Meister
und auf deren ungebrochene Farben. Nicht
ohne Grund hat man ihre Kunst „boche“ ge-
nannt.
Der Einfluß der neuen geistigen Aufhaube-
wegung, des Sichnäherrückenl der Völker,
„Locarnos“ ist der neue nachexpressionistische
Stil, der höchst sachlich wieder an die Welt
der Erscheinungen herangeht, klar abtastbare
Objekte dreidimensional faßbar darstellt, eine
große Freude an den Mitteln der modernen
Technik zeigt, an Automobilen, Telefonappa-
raten, blitzenden Maschinen usw. Dieses Ge-
meinsame erstreckt sich so ziemlich auf alles,
was zwischen Budapest, Rom, Paris, Berlin
und Warschau gemacht wird.
Aber es sind doch sehr bedeutende nationale
Verschiedenheiten dabei nachweisbar. Beson-
ders in Deutschland ist die Gefahr des Ab-
gleitens in eine dünnblütige Romantik groß.


Carl Spitzweg (1808-1885). Badende Mädchen
Um 1880
Aus der Spitzweg-Ausstellung bei Hugo Helbing,
Berlin

Georg Schrimpf nähert sich immer mehr der
Darstellungsweise vom Anfang des ig. Jahr-
hunderts, nur fehlt ihr die Solidität in der
Technik. Wenn da ein Wald und eine Wiese
gemacht wird, so ist doch die Faktur recht
obenhin, verglichen mit jener eines Meisters
von vor hundert Jahren. Auch unter den ein-
zelnen deutschen Malern sind individuelle
Verschiedenheiten zu erkennen. Da ist der
struktive, kubistische Alexander Kanoldt, der
plastisch bildet unter Zurückdrängung der
Farbe. Da ist Karl Großberg, der wiederum
mit der Farbe struktiv auf haut, da ist der ve-
ristische Georg Scholz, der mittels Zeichnung,
Farbe und Plastik das höchste von Realität
sich zu bilden bemüht, so daß diese schon wie-
der in der Ebene des Magischen hinaufsteigt.
Da sind die realistisch-veristischen Grosz und
Dix.
Bei allen jedoch sieht man, wie die Errungen-
schaften des Kubismus verarbeitet sind und wie
hoch seine Lehrkraft bewertet werden muß.
Die reine Farbe der Expressionisten und das
Wissen um die Gesetzmäßigkeit der Kubisten
sind in diese neue Kunst übergegangen, deren
Möglichkeiten noch bei weitem nicht ausge-
schöpft sind.
Die Sezession hat diesmal ihre Früh-
jahrsausstellung unter dem Leitgedan-
ken „Sport“ ausgestellt. Dies ist vernünftig
gewesen, denn je kleiner die Wohnungen wer-
den, um so weniger dekorativen Schmuck ver-
langen sie und um so geringer sind die Möglich-
keiten für Verkäufe von Malern und Plasti-
kern. Auf der anderen Seite werden sich die
öffentlichen Aufträge mehren. Staat, Kom-
mune und Körperschaften beginnen, das no-
bile officium zu erkennen, sich der Künstler
zu bedienen. Wie wenig diese bisher darauf
vorbereitet waren, haben mancherlei Erfah-
rungen der letzten Jahre gezeigt. Der Unter-
zeichnete erinnert sich mit gemischten Gefüh-
len des Wettbewerbes für eine Sportplakette,
für den er einer Behörde einige Plastiker emp-
fohlen hatte, die dann fast alle versagten. So
ist es an und für sich begrüßenswert, daß die
Künstlerschaft selbst die Aufgaben erkennt,
die an sie herantreten werden und sich auf sie
vorbereitet. Daß die Ausstellung selbst nicht
befriedigen kann, ist zu begreifen. Aufgabe
und Künstler werden sich erst langsam zu einer
fruchtbaren Einheit verbinden. Immerhin
seien hervorgehoben von den Monumentalge-
mälden der „Stafettenlauf“ von Bato, der
„Handball“ von Domscheit, der„Segelsport“
von Heckendorf und ganz besonders der „Box-
kampf“ von Willy Jaeckel. Unter den Tafel-

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