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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 9
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0302

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Abb. 2. Tisch von Abraham Roentgen Neuwied, um 176g

(allein 280 Geschenke!), die bei der jetzigen
Neuordnung dem Museum einverleibt wur-
den, nennen wir hier nur die wichtigsten. Aus
der Fülle der keramischen Werke muß die
dickbäuchige Lausitzer Urne (Abb. 1) erwähnt
werden. Es liegt hier der seltene Fall vor, daß
ein Gießer des 16. Jahrhunderts ein prähisto-
risches Gefäß aus gelblichgrauem, gebranntem
Ton durch verständnisvollen Zinnschmuck in
seiner Haltbarkeit und in seinem Färb- und
Formreiz auf das Natürlichste steigerte. Unter
den mittelalterlichen Kunstbronzen sei ein
leuchtertragendes Pferdchen (nur ein Stumpf
des abgebrochenen Leuchters ist noch vorhan-
den) wegen der drolligen, primitiven Parallel-
stellung der Vorder- und Hinterfüße genannt.
Der frühmittelalterliche Bronzeschlüssel mit
dem Kreuz in der Mitte erhält seinen Reiz
durch die kontrastierende Assymetrie des
Schlüsselbartes und die etwas ungleiche Mu-
sterung des Griffes.
Auch das rechteckige, italienische Kästleinaus
Olivenholz mit Greifenornament, das mitsamt
dem Boden aus dem vollen Holz geschnitten
ist, zeigt bei kleinem Format auffallende Ge-
schlossenheit der Form. Die bronzene Statuette
einer nackten, schreitenden Frau (um i54o),
die Meller dem „Meister der Budapester Abun-
dantia“ zuschreibt (Abb. 3), wirkt in ihren
reichen Richtungskontrasten und in ihrer rea-
listischen Freiheit wie eine moderne Arbeit.
Ein anderes Werk der Renaissance, die Bron-
zestatuette des Aktäon, eine Brunnenfigur,

dürfte von dem Nürnberger Meister des Gänse-
männchenbrunnen stammen. Unter den Ar-
beiten des Edelmetalls verdient ein Deckel-
pokal wegen seiner schlichten Kelchform, die
nach oben in einem feinbewegten Figürchen
ausläuft, Beachtung.
Auch die Glasscheibensammlung erfuhr durch
zwei wichtige Arbeiten, eine Rundscheibe mit
der Darstellung der „Lunakinder“ von Jörg
Breu und eine Kreuzigungscheibe eines Dü-
rerschülers (vielleicht Hans Sebald Beham)
Bereicherung.
Der Mobilarbestand erhielt schöne Ergänzun-
gen durch Tische und Schränke aus der Gotik
und Renaissance. Die wichtigste Neuerwerbung
ist der in der Abbildung 2 wiedergegebene,
mit figürlichen und ornamentalen Einlagen
aus Elfenbein, Perlmutter und Messing ge-
schmückte Tisch mit reichem, feuervergolde-
tem Bronzezierat, der von Abraham Roentgen
um 1765 für den Kurfürsten von Trier ange-
fertigt wurde. Neben der technischen Meister-
schaft zeigt der Tisch die für Roentgen cha-
rakteristischen Mechanismen im Innern, durch
die das Möbel wie durch Zauberei aus einem
Schreibtisch in ein Notenpult und einen Spiel-
tisch verwandelt werden kann (ein aus Elfen-
bein und Ebenholz eingelegtes, wundervolles
Schachbrett wird beim Umklappen sichtbar).
Auch die Abteilung der Textilien und Stik-
kereien wurden durch Gaben bedacht. Besitzt
doch das Frankfurter Kunstgewerbemuseum
neben anderen Werken eine italienische Stik-

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