BERLINER AUSSTELLUNGEN
Die Akademie hatte gerade keine sehr
glückliche Stunde, als sie ihre Frühjahrs-
schau zusammenstellte. Die bekannten Mei-
ster sind nicht gut vertreten, und von einigen
Künstlern werden Bilder gezeigt, die man
schon vorher anderswo gesehen hatte. Die bei-
den Sonderkollektionen, die diesmal im Rah-
men der Akademie vorgeführt werden, jene
von Otto Engel und Hans Purrmann, können
kaum auf Interesse Anspruch machen. Trotz-
dem sind daneben Bilder vorhanden, die wert
sind, gesehen zu werden. Deshalb soll an
ihnen nicht vorübergegangen werden. Vor
allem das ausgezeichnete Gruppenbild der
Brüder Ullstein von Willy Jaeckel, pracht-
voll komponiert, indem durch Senkung des
Vordergrundes die weiter hinten sitzenden
Personen an den Beschauer herangerückt sind.
Scharfe Charakterisierung der Köpfe. Man
könnte über dieses Bild allein eine halbe Seite
schreiben und zeigen, mit welchen Mitteln der
frappante Eindruck erreicht ist. — Walter
Rößner: „Bildnis zweier Modezeichnerinnen“.
Sehr noble Malerei, tonig, weich, unter Ver-
zicht auf allen Effekt. Von demselben ein
Bildnis, ganz grau in grau, das gleich hohe
Qualitäten hat. — Ernest Neuschul, zwei Bil-
der: „Spießer“, „Kindheit“. Wir wiesen schon
unlängst auf dieses starke, aufstrebende Ta-
lent hin. Albert Birkle: JB'lick bei Melzer“.
Die kubistischen Errungenschaften der letzten
Jahre sind mit vielem Gewinn verarbeitet.
Philipp Frank: mehrere venezianische Bilder,
leuchtend, sonnig. Der Künstler hat mit Er-
folg die Abhängigkeiten überwunden, die ihm
früher das Konzept verdarben. Bernhard Has-
ler: ,,Im Autoomnibus“, sehr delikat, farbig.
Man beobachte die Virtuosität, mit der das
Grau abgewandelt ist. Unter den Plastiken ist
zu nennen das scharf gearbeitete Bildnis
eines Hüttenarbeiters von Fritz Koelle und die
Gruppe „Mutter und Kind“ von Emy Roeder,
die nach Jahren der künstlerischen Schwäche
hier wieder ein Stück von Bedeutung zeigt.
Bei Viktor Hartberg: die Maler der Fa-
milie Lepsius. Interessant eigentlich nur
die vier Holzschnitte und die feinen Zeich-
nungen der jungen Sabine Lepsius. Eine
höchst reizvolle Angelegenheit. Voll Geschmack
und Können.
Bei Nierendorf: Jörg Klemm mit Fres-
ken. Das Bildnis Mussolinis, durchaus beach-
tenswert. Hier ist aus der Technik heraus ge-
arbeitet und ein monumentaler Eindruck er-
zielt. In derselben rührigen Kunsthandlung
wird eine Kollektivausstellung des badischen
Adolf Dietrich gegeben, eines Holzfäl-
lers, der am Bodensee lebt. Ein „deutscher
Rousseau“! Die alte Bauerntradition ist noch
vorhanden, als wenn es nie einen Impressio-
nismus gegeben hätte. Naive, kräftige Kunst,
ohne Haschen nach Effekt, üb aber gleich ein
kunsthistorischer Biograph am Platze sein
mußte mit einem richtiggehenden Buch, mag
dahingestellt bleiben.
Mit Vergnügen sei auf eine neue Kunsthand-
lung verwiesen, die Felix Tikotin am
Kurfürstendamm auf gemacht hat, in der
ausschließlich japanische Kunst gepflegt
werden soll. Es ist nicht eigentlich der La-
den eines Händlers, sondern es sind die liebe-
voll gepflegten Räume eines Sammlers von
Leidenschaft, der auch andere Leute an sei-
nen Schätzen teilnehmen lassen möchte.
Nachdem jahrelang China auf Kosten von Ja-
pan in den Vordergrund gerückt, möchte die-
ser Kunstfreund Japan wiederum in seine
alten Ehren einsetzen. Die Ausstellung von
japanischen Gespensterholzschnitten,
mit der, unterstützt von einem sehr gut ge-
machten Katalog, begonnen wird, ist geeignet,
dies Bestreben zu fördern.
Paul Cassirer eröffnete die überschau über die
jüngste Produktion Hermann Hallers,
des bedeutendsten Schweizer Bildhauers. Über
Hokusai / Das Gesicht der Oiwa er-
scheint in einer Laterne
Aus der Ausstellung von japanischen Ge-
spensterholzschnitten bei Tikotin, Berlin
287
20 Der Cicerone, XIX. Jahrg., Heft 9
Die Akademie hatte gerade keine sehr
glückliche Stunde, als sie ihre Frühjahrs-
schau zusammenstellte. Die bekannten Mei-
ster sind nicht gut vertreten, und von einigen
Künstlern werden Bilder gezeigt, die man
schon vorher anderswo gesehen hatte. Die bei-
den Sonderkollektionen, die diesmal im Rah-
men der Akademie vorgeführt werden, jene
von Otto Engel und Hans Purrmann, können
kaum auf Interesse Anspruch machen. Trotz-
dem sind daneben Bilder vorhanden, die wert
sind, gesehen zu werden. Deshalb soll an
ihnen nicht vorübergegangen werden. Vor
allem das ausgezeichnete Gruppenbild der
Brüder Ullstein von Willy Jaeckel, pracht-
voll komponiert, indem durch Senkung des
Vordergrundes die weiter hinten sitzenden
Personen an den Beschauer herangerückt sind.
Scharfe Charakterisierung der Köpfe. Man
könnte über dieses Bild allein eine halbe Seite
schreiben und zeigen, mit welchen Mitteln der
frappante Eindruck erreicht ist. — Walter
Rößner: „Bildnis zweier Modezeichnerinnen“.
Sehr noble Malerei, tonig, weich, unter Ver-
zicht auf allen Effekt. Von demselben ein
Bildnis, ganz grau in grau, das gleich hohe
Qualitäten hat. — Ernest Neuschul, zwei Bil-
der: „Spießer“, „Kindheit“. Wir wiesen schon
unlängst auf dieses starke, aufstrebende Ta-
lent hin. Albert Birkle: JB'lick bei Melzer“.
Die kubistischen Errungenschaften der letzten
Jahre sind mit vielem Gewinn verarbeitet.
Philipp Frank: mehrere venezianische Bilder,
leuchtend, sonnig. Der Künstler hat mit Er-
folg die Abhängigkeiten überwunden, die ihm
früher das Konzept verdarben. Bernhard Has-
ler: ,,Im Autoomnibus“, sehr delikat, farbig.
Man beobachte die Virtuosität, mit der das
Grau abgewandelt ist. Unter den Plastiken ist
zu nennen das scharf gearbeitete Bildnis
eines Hüttenarbeiters von Fritz Koelle und die
Gruppe „Mutter und Kind“ von Emy Roeder,
die nach Jahren der künstlerischen Schwäche
hier wieder ein Stück von Bedeutung zeigt.
Bei Viktor Hartberg: die Maler der Fa-
milie Lepsius. Interessant eigentlich nur
die vier Holzschnitte und die feinen Zeich-
nungen der jungen Sabine Lepsius. Eine
höchst reizvolle Angelegenheit. Voll Geschmack
und Können.
Bei Nierendorf: Jörg Klemm mit Fres-
ken. Das Bildnis Mussolinis, durchaus beach-
tenswert. Hier ist aus der Technik heraus ge-
arbeitet und ein monumentaler Eindruck er-
zielt. In derselben rührigen Kunsthandlung
wird eine Kollektivausstellung des badischen
Adolf Dietrich gegeben, eines Holzfäl-
lers, der am Bodensee lebt. Ein „deutscher
Rousseau“! Die alte Bauerntradition ist noch
vorhanden, als wenn es nie einen Impressio-
nismus gegeben hätte. Naive, kräftige Kunst,
ohne Haschen nach Effekt, üb aber gleich ein
kunsthistorischer Biograph am Platze sein
mußte mit einem richtiggehenden Buch, mag
dahingestellt bleiben.
Mit Vergnügen sei auf eine neue Kunsthand-
lung verwiesen, die Felix Tikotin am
Kurfürstendamm auf gemacht hat, in der
ausschließlich japanische Kunst gepflegt
werden soll. Es ist nicht eigentlich der La-
den eines Händlers, sondern es sind die liebe-
voll gepflegten Räume eines Sammlers von
Leidenschaft, der auch andere Leute an sei-
nen Schätzen teilnehmen lassen möchte.
Nachdem jahrelang China auf Kosten von Ja-
pan in den Vordergrund gerückt, möchte die-
ser Kunstfreund Japan wiederum in seine
alten Ehren einsetzen. Die Ausstellung von
japanischen Gespensterholzschnitten,
mit der, unterstützt von einem sehr gut ge-
machten Katalog, begonnen wird, ist geeignet,
dies Bestreben zu fördern.
Paul Cassirer eröffnete die überschau über die
jüngste Produktion Hermann Hallers,
des bedeutendsten Schweizer Bildhauers. Über
Hokusai / Das Gesicht der Oiwa er-
scheint in einer Laterne
Aus der Ausstellung von japanischen Ge-
spensterholzschnitten bei Tikotin, Berlin
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20 Der Cicerone, XIX. Jahrg., Heft 9