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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 9
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0313

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August Deusser Pflügender Bauer und spazierengehende Gouvernante
Aus der Ausstellung im Kunstverein zu Düsseldorf

früh an der Schwindsucht. Schon als Knabe
war Kubin ein unermüdlicher Zeichner. Seine
Zeichnungen wimmelten von Zauberern, ko-
mischem und schrecklichem Viehzeug, zeigten
Landschaften ganz aus Feuer, — kurz der
ganze spätere Kubin war schon im Keim darin
enthalten. Auf der Lateinschule in Salzburg
fiel er durch und mußte infolgedessen bei
einem Onkel in Klagenfurt vier Jahre die Pho-
tographie erlernen. Er ergriff die Flucht und
wurde schließlich Soldat. Den Anforderungen
nicht gewachsen, verfiel er in schwere Krank-
heit. Endlich riet ein alter kunstfreundlicher
Notar, ein Freund der Familie, ihn auf die
Akademie nach München zu schicken. Das war
im Frühling i8g8 und wurde zur entscheiden-
den Wendung in seinem Leben. In der Alten
Pinakothek sah Kubin zum erstenmal mit Be-
wußtsein große Kunstwerke, er war durch
und durch erschüttert. Auch die Radierungen
Klingers, Goyas, Munchs und Ensors wurden
ihm damals bekannt und er gelobte sich, sein
Leben dem Schaffen solcher Dinge zu weihen.
Ein ganzer Sturz von Visionen überkam ihn.
Der Münchner Verleger Hans von Weber ver-
öffentlichte als erster ein Mappenwerk mit
Zeichnungen, Avenarius wies im Kunstwart
auf diesen merkwürdigen „Traumkünstler“
hin. igo4 heiratete Kubin. Er machte Reisen
nach Frankreich, Italien, dem Balkan und er-
stand den kleinen Landsitz Zwickledt, nicht
weit von Passau, zwischen Inn und Donau.
Hier sind die Werke der letzten zwanzig Jahre

entstanden, die Illustrationen zu Dostojewski,
Poe, Slrindberg, de Goster, Andersen, zu den
deutschen Romantikern Arnim, Jean Paul,
Hauff, I loffmann, zu modernen Dichtern wie
Hauptmann, Hofmannsthal, Bierbaum, Willy
Seidel, Scheerbart, Friedrich Huch, nicht zu-
letzt die Mappen und Bücher, in denen Kubin
ganz frei gestaltet hat: Am Rande des Lebens,
Wilde Tiere, Sansara, Meine Traumwelt, Mas-
ken, Kritiker, Rauhnacht. Die Aufzählung ist
bei weitem nicht vollständig. Wahrhaft er-
staunlich ist das unerschöpfliche Strömen sei-
nes Schaffens. Kubin beherrscht wie wenige
Künstler auch das Wort. Davon zeugt sein
phantastischer Roman: „Die andere Seite“,
sowie seine Selbstbiographie, die kürzlich in
dem Bande „Dämonen und Nachtgesichte“ ab-
gedruckt wurde. Kubin ist durchaus kein Spe-
zialist des Grauens. Er ist als Zeichner ebenso
Märchendichter und Landschaf tspoet. Bezeich-
nend für seine Kunst ist der Satz: „Die Men-
schen wollen das Leben enträtseln, mir aber
macht erst das Geheimnis des Lebens das Le-
ben schön und Jebenswert.“ P
BERICHTIGUNG
Durch ein Versehen, das nicht zu Lasten des
Cicerone geht, sind die im letzten Heft auf
Seite 264 abgebildeten „Zwillinge“ als eine
Arbeit der Augusta von Zitzewitz reproduziert
worden, während sie ähnlich wie die Würz-
burger Landschaft (Abb. S. a63) von Ferdi-
nand Spiegel gemalt wurden.

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