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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 9
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Kunst-Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0315

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Ein zeitgenössisches Lionardo-Porträt
Italienisch. Anfang des 16. Jahrh. Bronze
Aus der Festschrift für Jul. v. Schlosser, Amalthea-Verlag, Wien

ten, Ästheten, Literat- und Mu-
sikhistoriker, die mit ihren Bei-
trägen, so Benedetto Croce,
Karl Vossler, Gurt Sachs, Ro-
bert Lach den festlichen Auf-
takt bilden. Die Archäologie
vertritt Emanuel Lövy, die früh-
christliche Kunstgeschichte ist
durch namhafte Beiträge von
Chr. Huelsen, Julius Banko, J.
.1. Tikkanen, Karl M. Swoboda,
E. H. Buschheck und Betty
Kurth bedeutsam belegt. Wich-
tige Forschungsergebnisse oder
Dokumente zur italienischen
Kunst steuerten u. a. Hermann
Egger, Ernst Steinmann, Erwin
Panofsky, Antonio Morassi bei,
die deutsche Kunstgeschichte
wird durch grundlegende For-
schungen von Weixlgärtner,
Ballte, L. Baldass, G. Glück, E.
Kris, H. ,1. Herrmann undUbell
vielsagend bereichert. Allen die-
sen Beiträgen im Rahmen eines
Referates auch nur annähernd
gerecht zu werden, ist unmög-
lich. Ein solches Buch geht eben
Unzählige an und dürfte des-
halb in einer seriösen Kunst-
bibliothek überhaupt nicht feh-
len. Dennoch sei an dieser Stelle
auf einen Beitrag besonders ver-
wiesen, der eines der wichtigsten
Probleme italienischer Kunst be-
rührt, den Planiscig unter dem
Titel,,L eonardosP orträt eundAr ist o-
teles“ beigesteuert hat, und der an eine
jüngst im amerikanischen Kunsthandel auf-
getauchte Bronzebüste italienischen Ursprungs
aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts an-
knüpft, die nach der Ansicht berufener Ken-
ner wie Meller und Bode ein zeitgenössisches
Bildnis Lionardos darstellen dürfte, weil die
Ähnlichkeit dieser Büste mit den bekannten
Zeichnungen in Windsor und Turin eigentlich
jeden Zweifel von vornherein uusschließt (siehe
Abb.). Die Beweisführung der kenntnisreichen
Gelehrten aber weist nach, daß es bereits in
der älteren italienischen Kunst ähnliche Ideal-
darstellungen des griechischen Philosophen ge-
geben hat und daß Lionardo seinerseits den
eigenen Typ in Haar, Barttracht und Kleidung
diesen bekannten Porträtdarstellungen des Ari-
stoteles angeglichen habe, so daß man von
einer Bildnisbüste Lionardos im eigentlichen
Sinne nicht sprechen könne. Zudem scheint

die Inschrift auf der Büste selbst auch der er-
wähnten Annahme zu widersprechen. Bei al-
ler Hochachtung vor der Tiefgründigkeit der
Planiscigschen Ausführungen glaube ich den-
noch, daß die Beweisführung an der ent-
scheidenden Stelle brüchig ist, weil sie ge-
wissermaßen durch den anerkannten Aristo-
teles-Lionardo-Typ selbst widerlegt wird. Im
Gegenteil, hei der überraschenden Ähnlichkeit
dieser Büste mit den authentischen Porträt-
darstellungen Lionardos in Windsor und Tu-
rin und vor allem im Hinblick auf die sprich-
wörtliche Eitelkeit des großen Florentiners
ließe sich m. A. nach mit dem gleichen Recht
folgern, daß wir in dieser Büste eines unbe-
kannten Meisters aus dem engeren Lionardo-
kreis in der Tat ein wirklich zeitgenössisches
Porträt vor uns haben, zu dem Lionardo Mo-
dell gestanden, das aber dennoch der Welt als
Aristoteles vorgestellt worden ist, da für die
Renaissance im engeren Sinne Lionardo und
 
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