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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 10
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Bethe, Hellmuth: Ein unbekannter norddeutscher Schnitzaltar des 14. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0329

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Abb. 5. Kopf eines Apostels vom Rossower Altarschrein

Das zweite Hauptthema, die Kreuzigung, die entsprechend der geringeren Höhe
des Untergeschosses kleiner erscheint, ist von nicht minder großer Schönheit.
Christus hängt — ähnlich wie bei dem Kruzifix auf dem rechten Flügel des
Doberaner Hochaltars — an einem Kreuz mit volutenförmiger Gabelung, dem
symbolischen arbor vitae. Die Arme des Herrn beschreiben mit den Händen,
deren Finger sich leicht krümmen, eine Kurve. Der Kopf ist herabgesunken
und die Hüfte ausgebogen. Die anatomische Kenntnis des nackten Körpers ist
verhältnismäßig gering, nur einzelne Partien, z. B. Hals, Brust und Leib, sind
gut beobachtet. Ganz besonders schön ist wieder der Kopf, den das lang auf
die Schultern herabfallende Haar umrahmt. Die Assistenzfiguren sind wie die
Figuren der Marienkrönung im Dreiviertelprofil dargestellt: Maria etwas äußer-
lich in ihrer Pose, Johannes dagegen ergreifend durch die Echtheit seiner Trauer.
Die oberen Zwickel des Feldes schmücken zwei Halbfiguren: die Propheten Je-
saias und Jeremias, in dem mild beseelten Ausdruck der Gesichter dem Kopf
Christi verwandt.
Die Apostel, die genau so groß sind wie die Figuren'von Maria und Johannes
unter dem Kreuz — 56 cm —, stehen von vorn gesehen in strenger architek-
tonischer Gebundenheit in ihren Nischen. Qualitativ sind sie schwächer als die
Figuren der Mittelgruppen. Die Körperbildung ist steifer und die Gewandbe-
handlung konventioneller. Aber die Köpfe sind noch voll von innerem Leben.
Am deutlichsten zeigt das der Kopf des Apostels in der unteren Reihe ganz
rechts (Abb. 5), der die monumentale Gesinnung und die hohe bildnerische
Fähigkeit des Meisters noch einmal in dem günstigsten Lichte erscheinen läßt.
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