Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:
Kühnel-Kunze, Irene: Die Ausstellung italienischer Malerei des 17. und 18. Jahrhunderts zu Berlin
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0402

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
chen zu können, was bei der Mannigfaltigkeit der barocken Kunstrichtungen
besonders aufschlußreich ist. Die Ausstellung kann selbstverständlich keinen
lückenlosen Überblick geben, da man im wesentlichen auf die im Berliner Privat-
besitz und Handel befindlichen Bilder angewiesen war. Einige große Meister
wie Annibale und Agostino Carracci, Lanfranco, Pietro da Cortona und Dome-
nichiuo fehlen ganz oder sind nur dürftig vertreten, weil ihre Hauptleistungen
in Fresken und großen Altarbildern bestehen. Dagegen können andere, zum
"feil auch kleinere Meister, in mehreren Arbeiten vorgeführt werden, weil
kleines Format und ansprechendes Sujet ihren Bildern leichteren Zugang in
Sammlerkreise verschafft.
Im ganzen ist aber die Auswahl groß genug, um einen allgemeinen Überblick
über die wichtigsten künstlerischen Richtungen der italienischen Malerei von
ca. 1580 —1800 zu ermöglichen. Aufschlußreich ist dabei, daß auch schon in
diesen mehr oder weniger zufällig zusammengekommenen 165 Bildern eine
alle vorherigen Epochen übertreffende Mannigfaltigkeit, beziehentlich Verschie-
denheit der künstlerischen Bestrebungen als auffallendes Charakteristikum der
italienischen Barockmalerei hervortritt. So gibt es einfachste Kompositionen
neben kompliziertesten, linear-plastische Malerei neben farbig gelöster, An-
wendung von künstlichem Licht, imaginärem oder natürlichem Sonnenlicht,
Lokalfarben neben differenzierten Valeurs. Gemeinsam ist jedoch allen Meistern
der Drang zur Übersteigerung, d. h. zur Überbietung aller bisher dagewesenen
künstlerischen Mittel. Unterstützt wird diese Vielfältigkeit durch den außer-
gewöhnlichen Reichtum an Sujets. Neben die Heiligengeschichten tritt durch
die humanistische Bildung die gesamte mythologische Welt. Außerdem spielen
profane Darstellungen eine große Rolle.
Als in wirklichem Sinne eklektische Kunst, d. h. eine Kunst, die auf Grund ein-
gehender Studien die besonderen Qualitäten der vorangegangenen Meister zu
verbinden sucht, erweist sich auch auf dieser Ausstellung nur die bolognesische
Malerei. Sassoferratos »Betende Madonna« (Bes.: Dr. Benedikt & Co.), eine
seiner vielen in verschiedenen Variationen vorkommenden halbfigui-igen Marien-
bilder, ist dagegen eine ganz naive Art von Eklektizismus, der mit dem bolog-
nesischen »Programm« nichts zu tun hat. Vom rein gefühlsmäßigen Gesichts-
punkt aus suchte sich der römische Meister Vorlagen für möglichst liebliche
Andachtsbilder dieser Art. Für das Entstehen einer eklektischen Kunst, die in
Leonardo, Michelangelo, Tizian, Raffael und Correggio ihre Meister sah, war
Bologna durch seine geographische Lage prädestiniert. An der Grenze zwischen
Ober- und Mittelitalien gelegen, Durchgangspunkt für alle nach Rom und
Florenz Reisende, als zweite Hauptstadt des Kirchenstaates von politischer Be-
deutung, war es der Treffpunkt für alle von Norden und Süden kommenden
Strömungen. Auf künstlerischem Gebiet führte dieses Zusammentreffen nor-
discher und südlicher Elemente zu einer Synthese römisch-llorentinischer und
oberitalienischer Malerei. Von Lodovico, dem ältesten der drei Carracci, gibt
die Berliner Ausstellung eine »Verlobung der hl. Katharina« (Bes.: Galerie
Bieber, Abb. 1). Neben der deutlichen Anlehnung an den von Lodovico am
meisten verehrten Meister Correggio zeigt dieses Bild in den schlanken Figuren
und der kühleren Farbe die Aufnahme der Kunst des Parmigianino. Francesco
Albanis große »Flora« aus dem Besitz der kgl. italienischen Botschaft weist da-
580
 
Annotationen