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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 12
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Kunst-Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0416

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Maske Leopardi
Aus: R.Länger, Totenmasken (Verlag GeorgThieme,
Leipzig)

RICHARD LANGER: TOTENMASKEN.
Georg Thieme, Verlag, Leipzig 1927.
ERNST BENKARD: DAS EWIGE ANTLITZ.
Frankfurter Verlagsanstalt, Berlin 1927.
Es erscheinen zu gleicher Zeit zwei Werke
über das bisher kaum bearbeitete Gebiet der
Totenmasken: ein Zusammentreffen, das nicht
zufällig ist, sondern sowohl die Zunahme des
Interesses für charakterologische Ausdrucks-
form als auch die Auflockerung und Erwei-
terung des ästhetischen Betrachtungsgebietes
anzeigt.
Das tote Antlitz ist ja wie das Plastik gewor-
dene Ausdrucksbild menschlichen Seins. Der
Tod löscht gleich der allergrößten Kunst zu-
fällige und unwesentliche, kleinliche Einzel-
heiten aus dem Gesicht des Menschen aus. Die
künstliche und vom Willen gehaltene Maske
wird von der unwillkürlichen Wahrhaftigkeit
des Todes abgelöst.
So steht man vor den echten Totenmasken zu-
gleich mit tiefer Erschütterung und einer
Scheu, die fragt, ob man das Recht hat, Men-
schen, die vor uns und mit uns gelebt haben,
in solcher absoluten Hüllenlosigkeit zu sehen.
Es ist interessant, die Reproduktionen der bei-
den Bände miteinander zu vergleichen. Die-
selben Masken erscheinen durch zweierlei Auf-

nahmen gesehen, oft verschieden, so als ob
man die gleiche Wesenheit in einem andern
Bezug auf das Dasein erblicke. Die Einleitung
der Langerschen Publikation von Prof. Hans
W. Grüble beschäftigt sich mit den psycho-
philosophischen Inhalten des Problems. Aus
allen Erfahrungen der physiognomischen,
phrenologischen, charakterologischen und psy-
chographischen Wissenschaften bis auf unsere
Tage, bis auf Klages und Kretschmar, ist über
Entsprechung von Schädel- und Gesichtsfor-
men und seelischen Eigenschaften wenig Posi-
tiv-Meßbares gefunden worden. Aber gewisse
Formen werden intuitiv und manchmal auch
bewußt als organische Zusammengehörigkeit
empfunden und mit unwillkürlicher, sicherer
AVertung belegt. Außerdem ergibt sich, daß
trotz aller Veränderungen durch Einflüsse der
Todesstarre und Entstellung durch Krankhei-
ten und das Alter Weseneigentümliches be-
stehen bleibt.
Benkard behandelt mit reichen historischen
Kenntnissen das Verhältnis der Totenmasken
zu den Effigies. In einem Geleitwort teilt
Kolbe das Verfahren zur Herstellung von To-
tenmasken mit. Das Abbildungsmaterial ist
viel reicher als bei Langer.
Sascha Schwabacher

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