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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 12
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Sammler und Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0418

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Bald hatte sich die Tatsache, daß dieses Früh-
dokument vom Platze seiner ursprünglichen
Aufbewahrung abwandern sollte, bekannt ge-
macht. Aus allen Ländern setzten die Be-
mühungen ein, den großartigen Erstdruck für
eine öffentliche Bibliothek oder eine große
Privatsammlung zu gewinnen. Gegen die
starke internationale Bewerberschar ist es nun-
mehr nach langen und schwierigen Verhand-
lungen dem Antiquariat Jacques Bosenthal ge-
lungen, die Bibel in seinen Besitz zu bringen.
Die von Fust und Schoeffer hergestellte
Bibel ist die erste Druckausgabe der beiden
Testamente, welche mit einem Datum er-
schienen ist. Der bekannte englische Inku-
nabelforscher Pollard nennt sie „vielleicht
die schönste aller frühen Bibelausgaben“.
Sicherlich bedeutet sie nicht nur hinsichtlich
der Schönheit des Satzbildes und der Voll-
endung der technischen Ausführung den
Höhepunkt im Schaffen Peter Schoeffers,
sondern sie gehört zu den großartigsten Er-
zeugnissen des Frühdrucks überhaupt.
Die einige Jahre früher erschienene 4azei-
lige Bibel Gutenbergs ist in den letzten Jah-
ren wiederholt im Handel erschienen, wo-
gegen die F u s t - und Schoeffer - Bibel von
i4Ö2 im letzten Jahrzehnt überhaupt nicht
auf dem internationalen Markt erschien. Fast
sämtliche bekannten Exemplare befinden sich
in öffentlichen Sammlungen. E
EINE MONUMENTALBBONGEDES
AVALOKlTEgVAltA
Im Besitz der Nederlandsch-Aziatischen Ilan-
delmaatschappij befindet sich zur Zeit die
hier gezeigte Statue des Bodhisattva Avaloki-
tegvara, ein lamaistisches Stück des 18. Jahr-
hunderts, aus feuervergoldeter Bronce. Es
handelt sich um die bekannte elfköpfige
Form, die ihre Entstehung folgender Legende
verdankt: Der Bodhisattva hat für die Erlö-
sung der Menschheit gewirkt und glaubt sein
Werk vollendet. Da muß er aber wahrneh-
men, daß die Höllen sich allmählich wieder
mit Sündern füllen, daß also sein Werk ver-
gebens gewesen ist. Vor Schmerz zerspringt
ihm das Haupt. Doch sein spiritueller Va-
ter, der Buddha Ainitäbha, bildet nun aus
den Stücken zehn Häupter und fügt dazu als
elftes sein eigenes.
Die Darstellung dieser Form des Avaloki teg-
vara, der ja in Ostasien der Kuan Yin gleich-
gesetzt ist, ist nicht selten. Das vorliegende
Stück aber ist durch seine monumentale Größe
ausgezeichnet, es ist nicht weniger als 2,10
596

Meter hoch und damit eine seltene Probe für
Monumental-Gußarbeit des 18. Jahrhunderts
im Gebiet des Lamaismus, dessen plastische
Leistungen aus dieser Zeit zu Unrecht gegen-
wärtig nicht gerade hoch bewertet zu werden
pflegen. Gibt es doch darunter neben vielem
rein Typischen und erstarrt Konventionellen
nicht wenige graziöse Arbeiten, ganz zu
schweigen von den kostbaren Porträtbroncen
lamaistischer Geistlicher. Leonhard Adam
DAUMIEB-VEBSTEIGERUNG IN PARIS
Paris hatte den ersten großen Auktionstag
seit dem Krieg: Händler der alten und neuen
Welt in schärfstem. Wettbewerb; Preise, die
die Schätzungen um 20 bis 100 Prozent über-
stiegen. Die Preise für die Aquarelle Dau-
miers schwankten zwischen 200 und 4ooooo
Frs. Mit Unterstützung eines Mäzens erstei-
gerte der Louvre die kleine Tafel „Die Wä-
scherin“ für 701000 Frs. (Schätzungswert
Gooooo Frs.). Als das Interesse des Louvre
für das Gemälde bekannt gemacht wurde, ent-
hielten sich die französischen und ausländi-
schen Händler des Bietcns; nur Herr Bureau
jun. trieb den Preis weiter in die Höhe, was
mit Zischen quittiert wurde. Nach Deutsch-
land kamen das im Cicerone abgebildete Aqua-
rell „Die Parade“ (260000 Frs.), „Der Zwi-
schenakt in der Comedie Francaise“ (26h 000
Frs.), „Le Malade Imaginaire“ (4ooooo Frs.),
„Der Schmied“ (180000 Frs.); von den Ge-
mälden „Vergebung“ (38oooo Frs.) und „Die
Kunstliebhaber“ (6/joooo Frs.). Das Haupt-
stück der Bureauschen Sammlung, das Ölbild
„Don Quijote und Sancho Pausa“ (56:84 cm)
erzielte bei einem Schätzungswert von 800 000
Frs. 1290000 Frs. Es ging an Knödler in
New York. Die Geste des letzten Gegenbieters,
des smartesten Händlers für moderne Kunst
in der rue La Boetie, war für die alte Welt
symbolisch. Als sein Limit erreicht war, rief
er, als wolle er noch Gnadenfrist erwirken:
„On demande ä voir!“ Er setzte seine Horn-
brille auf, nahm das Bild in die Hand, be-
sichtigte es unter allgemeiner Heiterkeit sogar
von der Rückseite und schloß kopfschüttelnd:
„Je n’en veux plus.“ Armes Europa, dem die
Trauben zu sauer geworden sind! — Für einen
posthumen Bronzeabguß der „Emigranten“
wurden 4oooo Frs. gegeben (Uhde). Auch
gute alte Kunst wurde ausgeboten. Ein reizen-
des helles Eisbild von Van der Neer kam auf
53 000 Frs., „Franz von Assisi“ von Greco auf
61000 Frs., eine Rötelzeichnung von Wat-
teau „Drei Figuren“ auf 90000 Frs. Gesamt-
 
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