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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 13
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Sammler und Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0446

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bände des 17. Jahrhunderts gebundene Inku-
nabelsammlung des Earl of Pembroke, die so-
genannte Wilton-Library, verkauft wurde, hat
er die Bücher fast restlos ersteigert, merk-
würdigerweise mit Ausnahme einiger Ilaupt-
stücke, wie das Pergamentexemplar des Du-
randus von i/|5g und eine schöne illustrierte
Ptolemäushandschnft des i5. Jahrhunderts,
die von europäischen Händlern erworben wur-
den und erst viele Jahre später ihren Eingang
in die Huntington Library fanden. Er erwarb
auch zahlreiche Zimelien aus der Henry-Huth-
Bibliothek, einer Sammlung, die derjenigen
Hoes an Bedeutung fast gleichkam und die in
den Jahren 1 g 1 j—1922 in zahlreichen Auk-
tionen versteigert wurde. Freihändig erwarb
Huntington igi4 die gesamte Chatsworth-Li-
brary des Duke of Devonshire für 1 700000
Dollar, die Bridgewater Library mit dem be-
rühmten Chaucer-Manuskript aus dem Anfang
des 15. Jahrhunderts für 1 Million Dollar, igiö
für dieselbe Summe die Bibliothek des Fre-
deric R. Halsey und größere Teile der Mor-
schauer Sammlung von Bibeln und liturgi-
schen Drucken, igiG die Americana-Samm-
lung des S.R. Christie Miller und die Shake-
speare-Sammlung W. C. Piscotts. Ferner er-
weiterte er seine Handschriftensammlung
durch Ankauf der Sammlungen John Quinn
und Bussei Benedikt mit vielen Handschriften
der Präsidenten Washington und Lincoln, dar-
unter auch das Originalmanuskript der Auto-
biographie Franklins, die er immer für einen
seiner Hauptschätze gehalten hat. — Durch
den En-bloc-Kauf so vieler Bibliotheken, von
denen vorstehend nur eine Auswahl aufge-
führt ist, hatte sich naturgemäß eine Menge
Dubletten bei ihm angesammelt, die er zum
Teil zu hohen Preisen wieder auf New Yor-
ker Auktionen veräußern konnte. Später hat
er mehr planmäßig durch Einzelkäufe aus
Antiquariatskatalogen und besonders durch
solche auf New Yorker und Londoner Auk-
tionen seine Sammlung ergänzt, und er be-
orderte nach Smiths Tode Dr. Rosenbach
durch unlimitierte Aufträge nahezu jedes
Buch zu kaufen, das seiner Sammlung von
Werken über die Entdeckung und Geschichte
Amerikas und von Erstausgaben der englischen
Dichter und Denker noch fehlte. Er hat be-
sonders auf den zahlreichen Versteigerungen
der Briltwell Court Library aus dem Besitz
S. R. Christie Millers, deren Schwerpunkt auf
dem Gebiete der frühen englischen Literatur
lag, unter anderem einige wertvolle Unika er-
worben. Erst in den letzten Jahren ging er
daran, auch seine Bibliothek von Frühdrucken

auszubauen, und er hat hierbei den für eine
Privatsammluns; ungewöhnlichen Rekord von
3ooo Inkunabeln erreicht.
Alle seine Schätze, die anfänglich in einem
New Yorker Hotel aufgespeichert gewesen
waren, vereinigte er ig2o in einem palastähn-
lichen Gebäude in San Marino bei Passadena,
in einer Gegend von fast paradiesischer Nalur-
schönheit, wo sie von einem Stabe fachkun-
diger Bibliothekare verwaltet wird. Der Biblio-
thek gliederte er eine Bildergalerie an, die er
meist durch Erwerbungen aus den Schlössern
des englischen Hochadels mit den schönsten
repräsentativen Porträts der englischen Maler
des 18. Jahrhunderts ausschmückte, darunter
Gainsboroughs berühmten „Blue Boy“.
Fluntington war ein leidenschaftlicher Samm-
ler, aber kein Bibliomane. Er liebte seine Bü-
cher wirklich und, was vielleicht noch merk-
würdiger ist, er schätzte sie nach ihrem inne-
ren, literarischen Wert und war ein eifriger
Leser. Als ich im Jahre 1913 Gelegenheit
hatte, ihn zu besuchen, war ich nach Erfah-
rungen, die ich mit einigen anderen amerika-
nischen Millionären gemacht hatte, erstaunt,
einen alten Herrn von bestrickender Liebens-
würdigkeit kennenzulernen, der frei von allem
Dünkel mit einer selbstverständlichen Unbe-
fangenheit mir eine eingehende Schilderung
seiner Bestrebungen gab. Zu seiner Charak-
terisierung erwähne ich nur, daß er mir im
Laufe eines längeren Gesprächs erklärte, er
würde nie ein deutsches Buch kaufen, da er
die deutsche Sprache nicht beherrsche und
er nur Bücher haben wolle, die er lesen
könnte. Seine letzten Lebensjahre verdüsterte
der Verlust seiner liebenswürdigen und kunst-
liebenden Gattin, die er über alles verehrte,
und ein tückisches Leiden, das ihn längere
Zeit ans Belt fesselte, ohne daß dadurch seine
Sammelleidenschaft beeinträchtigt wurde.
Seine Sammlungen hat er dem County Los
Angeles vermacht, wo sie der Allgemeinheit
zugänglich gemacht werden sollen, und auf
diese Weise in jenes ferne Land einen Schatz
abendländischer Kunst und Literatur von un-
geheurem Werte verpflanzt, ein Kulturband
zwischen der alten und neuen Welt, bestimmt,
künftigen Generationen den reichen Born wis-
senschaftlicher und künstlerischer Tradition
der Vergangenheit zu übermitteln, j goBaer
Zu dem Tode Huntingtons teilt unser Ver-
treter in New York noch folgendes mit: Hs.
Sammlung ist besonders reich an Americana
aller Art und den frühesten englischen Wer-
ken, namentlich aus der Elisabethzeit. Shake-
 
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