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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 18
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Schubring, Paul: Zwei Bilder der Atalante-Sage
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0585

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wahrscheinlich gemacht, daß es sich um die Verlobung des Jason und der Medea
handelt. Sicher sind alle drei Bilder in Verona um 1480 gemalt worden.
Die uns erhaltenen Atalante-Bilder sind alle außerordentlich selbständig; keins
gleicht dem anderen, es werden ganz verschiedene Szenen ausgedeutet. Auch
unsere neuen Tafeln bringen wieder eine neue eigenartige Auffassung. Hier
ist der Kontrast symbolisiert in zwei Tieren, einem Eber, einem Einhorn; dazu
ein gerichteter Gott, eine richtende Göttin; eine stolze Jägerin, eine betroffene
Braut. Wie im antiken Drama derselbe wohlbekannte Stoff, Schüssel vom fest-
lichen Mahl Homers, immer wieder und neu behandelt und akzentuiert wurde,
so genügen diesen Veroneser Humanisten ein paar Ovidverse zu einem immer
neu gedichteten Hochzeitscarmen. Das Thema von der spröden Braut wird
oft gemalt und manchmal, wie in dem Londoner Bild (Nr. 1196) der Botticelli-
Schule, rein allegorisch. Hier bei uns wird die Symbolik von der alten, guten,
weisen Sage um rauscht, die Eros’ Sieg feiert, ohne Dianas strenge Herrlichkeit
zu leugnen. Wir Deutschen legen uns immer auf einen bestimmten kategori-
schen Imperativ fest und verurteilen Entgegenstehendes als minderwertig. Der
Atem der antiken Weisheit ist tiefer und gelassener. Dort werden beide Welten
anerkannt, nicht miteinander vermischt, sondern gelassen nebeneinander ge-
stellt, nebeneinander verehrt, nebeneinander gepriesen und — gemalt.
 
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