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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 20
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Goebel, Heinrich: Die "Mythologischen Episoden" aus der Brüsseler Werkstatt des Albert Auwercx
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0655

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DIE »MYTHOLOGISCHEN EPISODEN« AUS DER
BRÜSSELER WERKSTATT DES ALBERT AUWERCX
VON HEINRICH GÖBEL
Die zeitgenössische Aufstellung de Robiano’s zählt die Werkstatt des Albert
Auwercx zu den Großmanufakturen Brüssels. Der Meister gehört seit 1657
der Wirkerzunft an, die Privilegierung fällt in das Jahr 16715 1705 erhält
Auwercx in Anerkennung der Bedeutung seines Ateliers einen staatlichen Vor-
schuß in Höhe von 2400 fl., 170g sind fünf Gezeuge vollbeschäftigt, 1717 ist
die Werkstatt noch im Betrieb5 das Ableben des Wirkers dürfte wenig später
erfolgt sein. Der Meister beschäftigt einen Stab geübter Patronenmaler: Wil
lern van Herp, Jan I. van Kessel, Ludwig van Schoor, Augustin Coppens u. a.
mehr. Die Zahl der aus seinem Atelier uns überkommenen Wirkereien ist be-
trächtlich. Im Gegensatz zu so manchen Brüsseler Ateliers besitzen die Folgen
des Albert Auwercx einen großen Vorzug, den der gleichmäßigen Güte. Mit
der Methode, umfangreiche Serien in Gemeinschaft mit befreundeten Wirkern
zu übernehmen und durchzuführen, scheint sich Meister Albert — nicht zum
Schaden der Behänge — nur in den seltensten Fällen abgefunden zu haben.
Zum mindesten ist mir nur eine Folge — die Geschichte der Diana (in
englischem Privatbesitz) — bekannt, die auf 5 Teppichen die Auwercx’sche
Signatur, auf 4 Behängen den Namenszug des Guilliam van Leefdael trägt.
Die Reihen der authentischen Folgen der Werkstatt Auwercx’ — die Taten des
Grafen Wilhelm Raimund de Moncata, Herrn von Airola, das Leben des Apo-
stels Paulus, die »die Welt beherrschenden Kräfte«, die Geschichte des Moses,
die vier Weltteile — finden einen glücklichen Zuwachs in einer aus acht Tep-
pichen zusammengestellten, vollständigen Serie, die mythologische Episoden
zum Gegenstände der Darstellung wählt.
1. Ein antiker gekrönter Held begrüßt eine gekrönte Frauengestalt, deren
Schleppe ein Knabe hält5 zwei Begleiterinnen bilden den Hofstaat. Hermes,
der Bote der Götter, wendet sich, nach vollbrachtem Auftrag, ab, zum Fortflug
bereit. Die Episode ist in eine reiche Park- und Gartenlandschaft versetzt5 eine
Schloßanlage belebt den Hintergrund. Die Deutung des Motivs bereitet ge-
wisse Schwierigkeiten. Die Lösung liegt in der Gestalt des Hermes (in den Ab-
messungen kleiner gehalten als die übrigen Figuren). Es kommen zwei Lö-
sungen in Frage:
a) Hermes führt Epimetheus, dem Bruder des Prometheus, die mit allen Reizen
ausgestattete Pandora als Weib zu5
b) auf Zeus Geheiß vereinigt Hermes die dem Hades verfallene Alkmene mit
dem Herrscher Rhadamanthys, dem Bruder des Königs von Kreta (Minos). Die
Szene spielt auf der Insel der Seligen.
Eine dritte Deutung — der verschmitzte Gott schützt Odysseus durch ein Zauber-
kraut vor den Tücken der Kirke — kommt m. E. nicht in Frage; das typische
Begleitmoment — die in Tiere verwandelten Helden — fehlt.
Wiederholungen der zweifellos sehr seltenen Darstellung sind mir nicht be-
kannt. Die stärkere Wahrscheinlichkeit spricht für die Deutung zu b. Die
Farbengebung ist frisch. Vorherrschend ist in den Gewändern ein sattes Kar-
min, in den Lichtern zu weichem Gelb abgestuft, ein tiefes Blau, ein stellen-
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