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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 20
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0666

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5o Jahren begann Jus tus Brinckmann den
Aufbau dieses Museums — in denselben Raum
eingezogen, den vor dreiviertel Jahr die vor-
beschriebenen Käufe ausfüllten. Wieder sind
es wenig mehr als 200 Stücke verschiedenster
Kulturen, verschiedensten Alters, Zweckes und
Materials. Sie stoßen hart im Raume anein-
ander. fletitisches zwischen neolithischem
China und Alt-Ägypten, Goldschmuck von
Mykene bis zur Zeit der Salier, Bildteppiche,
Bronzen, Majoliken, Gläser und Schnitzereien
der Renaissance, Kunslkammerstücke des Ba-
rock, Bildwerke und Zeichnungen lebender
Künstler, um einige Etappen zu nennen.
Sie werden nach der Auss tellung sich in all die
Abteilungen des Museums einfügen, hier eine
Lücke schließend, da eine Aussicht eröffnend,
dort zu neuer Fragestellung reizend, als not-
wendige Nahrung eines Organismus, der nicht
zuletzt durch solchen Zustrom lebendig blei-
ben will.
Zweckbestimmung und Sammelziele eines Mu-
seums sehen wir mit der veränderten Blick-
richtung der Generationen sich verschieben.
Die innere Einheit und den Beschauer anfeu-
ernde, zum Sehen und Nachdenken zwingende
Anschaulichkeit wird nicht darunter leiden,
sofern das Qualitäts- und Verantwortungsge-
fühl derer ungetrübt bleibt, die sich jeweils
um den Aufbau zu kümmern haben.
Heinrich Kohlhaussen


Romanischer Brettstein mit Simson auf
dem Löwen. 12. Jahrh.
Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe
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DER ZEICHNER PABLO PICASSO
Alfred Flechtheim eröffnete soeben eine
Sammlung von Aquarellen, Pastellen und
Zeichnungen des viel diskutierten Spaniers,die
besonders verdienstvoll ist, weil sie unsere An-
schauung von der Kunst Picassos vertieft und
die Vielseitigkeit des Werkes klarer in Erschei-
nung treten läßt, zumal sie Arbeiten aus allen
Epochen enthält, die zum Teil ausPrivatbesitz,
so aus der berühmten Picasso-Sammlung Dr.
Rcbcr-Lugano entliehen worden sind. Zur Ver-
deutlichung dieser äußerst anregenden und
wichtigen Ausstellung sei Einiges von dem zi-
tiert, was der letzte Picasso-Biograph, Dr. Os-
car Schürer zu diesem Thema zu sagen hatte1:
,,So hat man Mühe, dies Werk zusammen-
zusehen. Abrupt wechselt die Ausdrucksform,
und wahrlich — das überviele Literaturge-
rede um eine jede dieser Formen hat das Ver-
ständnis des Gesamtwerks nicht eben erleich-
tert. Wer Picasso an der einzelnen Form zu
packen sucht, gleitet aus. Picasso — obgleich
fanatischer Former — hat sie zu tief durch-
schaut, als daß er an ihre Einzigkeit noch
glauben und glauben lassen könnte. Zwischen
den Formen, unter ihnen, treibt sein einheit-
liches Sehen. Nicht von oben, von unten muß
man heran an dieses Werk. Bei seinen Wur-
zeln muß man suchen. Dort, wo unter Zu-
sammenhang und Sinn der einzelnen Perio-
den, der einzelnen Bilder, geheime Siegel und
Zeichen leben, bei seinen spontanen bildneri-
schen Impulsen hat man dies Wesen zu be-
lauschen. Wo treiben sie hin. Was deutet der
Grundduktus in Picassos Formung.
Steile Formbrüche, plötzlich und scharf, ge-
spannte Kurven, die eher ins Paradox aus-
fähren, als daß sie sich schmiegten in die
weiche Rundung der Dinge. Die Linie federt.
Ein Stoßartig-Heftiges durchzuckt die frühen
Zärtlichkeiten, fügt sich auf den kubistischen
Tafeln zum System, stößt und schmiedet auf
den klassizistischen Bildern. Reißende Vehe-
menz, das stoßartig Packende der Kontur,
Hang, alle Schleier zu zerreißen, f nterirdi-
scher Brand, der formhaft auftaucht. Zu die-
sem der Gegenpol, verheimlicht und be-
kämpft: Schwere Massigkeit, in die die Form
abdumpft. Es lastet und droht in den frühen
Bildern, beschwert den federnden Aufschwung
der Lyrismen, zieht in der Linie, lastet im
Blick der Verstoßenen, wühlt die Figuren
plötzlich zu Klumpen, läßt Formen versacken,
als hole dumpfe Erde die Gestalten heim.
1 Pablo Picasso. Von Oscar Schürer. Junge Kunst
Bd. 49/50. Berlin u. Leipzig 1927.
 
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