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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 21
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0701

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Man kennt die Einflüsse, die von ihnen auf
Picasso und seine erste kubistische Epoche aus-
gingen, ebenso wie Vlaminck, Derain, Matisse
durch den Einfluß der Negerkunst an Stärke
des Ausdrucks gewonnen haben. Jedenfalls
gehören diese Fetische heute der Kunstge-
schichte an und ihre Schätzung ist erst in
ihren Anfängen. Bei den letzten Versteigerun-
gen frühamerikanischer Kunst am 26. Juni
und 1. Juli hat eine Töpferarbeit aus Südame-
rika, die eine stilisierte Figur darstellt, 4i 5oo
Francs gebracht und eine große Vase mit
schwarz und braun Dekor aus Peru 22800
Francs. Das Museum Cernuschi hat mehrere
dieser Töpfereien gekauft. Für eine steinerne
Kriegskeule aus Haiti mit menschlichem Ge-
sicht hat man 15900 Francs und für einen
goldenen Fetisch aus Mexiko, Darstellung des
Sonnengottes, 12000 Francs bezahlt. Eine
Steinplastik von den Marquesas-Inseln hat
iS 100 Francs erreicht.
Mittlerweile bereitet man den Herbstsalon vor
und eine Neuigkeit schwirrt durch die Ate-
liers: Picasso hätte endgültig dem Kubismus
abgeschworen. Wenn das wahr ist! Was würde
dann nach der Flucht des Führers aus der
Armee der Mitläufer werden? Es scheint, daß


Georges Rouault

Aquarell


Terechkovitch Bildnis
die internationale Ausstellung für Kunstge-
werbe, die Paris vor zwei Jahren hatte, Pi-
casso zugleich den Höhepunkt und das Ende
der kubistischen Ästhetik, die zweifellos ein-
mal ihre erzieherische Aufgabe hatten vor Au-
gen geführt hat. Der Kubismus triumphiert
heute in der Architektur, in der Dekoration,
im Plakat, wo er noch eine vernünftige Auf-
gabe findet; seine Anwendung in der Malerei
wirkt längst nur mehr als Spekulation, als
Gesuchtheit. Im übrigen interessiert der Ku-
bismus die Jungen von heute kaum mehr.
Wenn man eine neue zeitgenössische Bewe-
gung voraussehen kann, so scheint sich eine
Schule zu bilden, die man als „post-fauvisme“
bezeichnen könnte und deren begabteste Ver-
treter das Problem der Malerei dort wieder
aufgreifen, wo es um 1906 von den sogenann-
ten ,,Fauves“ verlassen wurde.

Ein großes Ereignis, das man hier erwartet
ist die Kolonialausstellung von 192g. Man
streitet noch über ihren Platz. Aber es scheint
festzustehen, daß die Kunst auf ihr eine be-
deutende Rolle spielen wird und daß hier
Werke der Negerkunst, der Khmerkunst, der
Südseekunst nach Auswahl der besten Fach-
kenner gezeigt werden sollen.
FlorentFels
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