Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927
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15lick in die Rue Mallet-Stevens
Kunst in Paris
BERLINER AUSSTELLUNGEN
Bei Ferdinand Möller, Berlin, stellt Walter
Gramatte Graphiken und Aquarelle aus.
Gegen die Radierungen und Holzschnitte ist
sehr viel zu sagen. Der Einfluß Munchs ist
immer spürbar und nicht einmal persönlich
verarbeitet. Gewiß, man fühlt, daß ein ernst-
hafter Mensch nach Ausdruck ringt, doch noch
hat er eine Form für seine Gesichte nicht ge-
funden. Die Probleme werden formal nicht
bewältigt, und hierauf kommt cs doch letzten
Endes bei der Kunst an.
Wesentlich besser als die Graphiken sind die
Aquarelle des Künstlers. Hier leistet er sehr
Erfreuliches. In dieser Ausstellung sind ein-
zelne Stücke, die man ruhig zu den besten
ihrer Art zählen kann. Der Künstler hat sich
hier von der Konvention völlig gelöst, er sieht
und gestaltet original in Form und Farbe. Be-
sonders hervorheben möchte ich „Aus Paris1',
„Mädchen unter Bäumen“, „Jacqueline For-
zane“.
Gleichzeitig stellt das Bildhauerehepaar Her-
bert Garbe und Emy Roeder aus. Der
Mann, der größere Könner, die Frau der weit-
aus tiefere Künstler. Garbe ist ein Talent, da-
bei eine weiche, impressionable Natur. Er hat
zeitweise eine grazile Rokokokunst gepflegt,
von delikater Süßigkeit. Dann hat ihn die
Roeder beeinflußt und zweifellos tut sie es mit
ihrer liefen, echten Empfindung immer wie-
der. Die beiden Pferde, die ausgestellt sind,
können ohne den genannten Einfluß über-
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haupt nicht gedacht werden. Das Mädchen in
Marmor, eine halb im Stein noch befangene
Statuette, zeigt den Bildhauer wieder als siche-
ren Beherrscher des Technischen, den zarte-
sten Übergängen eines weiblichen Körpers
nachgehend. Die Roeder hat ein stehendes
Mädchen, ein schwächliches, meskines Ge-
schöpfchen, modelliert und eine Gruppe,But-
ter und Kind“, eine weibliche Halbfigur, die
das Junge über sich emporhält. Diese Dinge
sind von erschütternder innerer Wahrheit, von
einer mütterlichen Kraft des Schöpferischen,
der sich kaum ein Besucher wird entziehen
können. Dasselbe gilt für die kleine Bronze-
statuette einer Äffin, an deren Leib sich das
Junge klammert. Es ist schade, daß dieser
Künstlerin die souveräne Beherrschung ihres
Handwerkes fehlt; sie würde sonst einen ganz
anderen Platz unter den Plastikern unserer
Tage einnehmen. Kuhn
MÜNCHNER AUSSTELLUNGEN
Bei Heinemann Landschaftsmalereien des 186g
gebornen Amerikaners W. IT. Singer J r., ge-
fällige, in die Helle von Aquarellen gehobene
Ölbilder, mit tüpfelnder Technik stille Raum-
weiten sauber erstrebend. Geruhige Raum-
vorstellung und Tupf eimanier aber nur äußer-
lich verbunden, alles ohne tiefere Einschläge.
Vielsagender von Hubert Wilm an glei-
cher Stelle 3o Aquarelle und etwa 10 Ölstu-
dien auf Papier. Überleitend zur Generation
der Jungen, blond strahlend in der lichten