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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 22
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Suida, Wilhelm: Die Sammlung Gualino in Turin
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0720

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cento: Das einzige bis jetzt nachgewiesene Einzelporträt von der Hand des Co-
simo Rosselli, ein Jüglingsporträt von Lorenzo di Credi, das mit Recht als ideelles
Gegenstück zu dem weiblichen Bildnis von Leonardo in der Liechtenstein-
Galerie in Wien bezeichnet wird, und das für die Kenntnis der Umgebung
Leonardos in seiner ersten Florentiner Zeit von besonderer Wichtigkeit ist. End-
lich eine stehende Venus als Einzelgestalt von Botticelli, die so wie die bekannte
Berliner Tafel das Motiv des großen Bildes der Venus Anadyomene der Uffizien
variiert.
Aus der Zahl umbrischer Bilder werden eine Anbetung der Hirten von Signo-
relli und der faszinierende segnende Christus, ein Hauptwerk der Frühzeit des
Melozzo da Forli, mitgeteilt. Zu der Reihe kleinerer Madonnenbilder des An-
drea Mantegna (Berlin, Mailand-Museo Poldi, Bergamo) kommt ein weiteres
Stück hinzu. Auf Niccolb da Foligno (Begegnung an der goldenen Pforte) folgt
ein Hauptwerk des Antonello da Messina. Das Gelehrtenporträt übertrifft an
Größe die meisten Bildnisse dieses Meisters und zeigt in seiner Verbindung
italienischer Haltung und niederländischer Versonnenheit die Grundlagen der
Kunst dieses Meisters in reizvollster Synthese. Aus dem Mailand der Renais-
sance finden sich einige gute Stüche: des Ambrogio Borgognone aus der Samm-
lung des Grafen G. Stroganoff bekannte Madonna mit dem Certosiner Mönch,
eine interessante kleine Tafel der Geburt Mariä, die L. Venturi auf Grund der
Übereinstimmung mit einem Glasfenster des Mailänder Domes auf Niccolb da
Varallo zurückführt, ein Exemplar von Andrea Solarios Salome mit dem Haupte
des Täufers. Wenn die Komposition des letztgenannten Bildes auch in den wesent-
lichen Zügen mit den bisher bekannten Exemplaren der ehemaligen Olden-
burger Galerie (jetzt Amerika), in Syonhouse und ehemals bei Lanz in Mann-
heim übereinstimmt, so finden sich doch genug Abweichungen in Einzel-
heiten, insbesondere in der Tracht, um die Eigenhändigkeit dieses Exemplares
nicht auszuschließen. Bezüglich des Exemplares in Syonhouse kann ich aus
kürzlich gemachter Wahrnehmung L. Venturis Urteil, daß es sich nur um eine
alte Kopie handle, bestätigen, dagegen ist das ehemals in Oldenburg befind-
liche Bild sicher eigenhändig.
Vor eine äußerst schwierige Frage stellt uns die Madonna, die in der Sammlung
Crespi unter dem Namen Leonardos ausgestellt war, und nach Annahme der
meisten Forscher, so auch des vorliegenden Kataloges, als Werk des Ambrogio
de’Predis gilt. Geht man von den gesicherten Werken des Predis aus, so findet
man zu diesem Madonnenbild keine Brücke. Andererseits ist ohne weiteres zu-
zugeben, daß die Qualität für die Annahme einer Ausführung des Bildes durch
Leonardo selbst nicht ausreicht. Es führen Fäden zu dem Londoner Exemplar
der Grottenmadonna, welch letztere allerdings in manchen Partien über dem
Niveau dieses Bildes steht und meiner f Iberzeugung nach eine sehr wesentliche
Beteiligung Leonardos aufweist. Was aber an dem Londoner Bild nicht von
Leonardo selbst sein kann, rührt ebensowenig von Ambogio de Predis her. In
der Annahme, dieser habe sich geradezu als Gehilfe Leonardos an der Londoner
Grottenmadonna betätigt, liegt, wie ich glaube, der Grundirrtum, der unsere Vor-
stellung von dem lombardischen Maler so sehr in Verwirrung gebracht hat. Wir
müssen vielmehr über die Entstehung des Mittelstückes des Londoner Altares
vermuten, daß Leonardo, der sich zur Lieferung desselben verpflichtet hatte,
 
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