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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 22
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0733

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zeit des Malers sei, und ein so hervorragender
Forscher wie Georg Gronau urteilt wört-
lich: „Dieses Bild gehört zu der beschränkten
Zahl von verhältnismäßig kleinen Porträts, die
man von dem Meister kennt, und ist daher von
ihm mit weit ins Detail gehender Feinheit aus-
geführt. Dem Stil nach gehört es noch in seine
frühe Zeit. Besonders bezeichnend für den
Meister ist die klare, scharf umrissene Zeich-
nung von Auge und Nase, wie die weiche Li-
nienführung der Hände. Durch die schöne
Dominante des Rot — nicht das Rot der Pro-
kuratenmäntel, sondern das Rot der Kardinals-
tracht — ist das Bild auch farbig von beson-
derem Reiz.“
Dem Nicht-Spezialisten und dennoch Freund
der Kunst eines Tintoretto erscheint Gronaus
Feststellung restlos überzeugend. Das Bild ist
ungewöhnlich nach Haltung und malerischer
Behandlung, ungeheuer lebenswahr und von
jerfer Detaillierung im einzelnen, die mehr für
den jungen als den späten Tintoretto spricht.
Ein wahrhaft maestoses Bildnis des Seicento,
das im Werk jenes Jacopo Robusti unbedingt
mit an erster Stelle steht. B

DIE BÖCKLIN-AUSSTELLUNG DER
NATIONALGALERIE
Die Nationalgalerie hat die Revision des,Fal-
les Böcklin“ angesetzt, der vor fast einem
Menschenalter die Gebildeten bewegte. Wieder
hören wir dieselben Argumente für und gegen.
Aus etwas weiter Ferne, ein wenig matt die
Anklage, mit geringerer Leidenschaft als ehe-
mals die Verteidigung. Alles ist in die Sphäre
mäßig interessierter Sachlichkeit gerückt. Es
ist wie oft in der Justiz: auf die lange Bank
geschoben, erledigt sich viel ganz von selbst.
Das, was einst so wichtig war: der Gegenstand,
ist längst nicht mehr Angelegenheit der Dis-
kussion, haben doch Gauguin und die Expres-
sionisten gerade das Recht de3 Sujets betont
und sich nicht mehr mit der Darstellung von
Rüben und Kohlköpfen begnügt. Mit der
„Richtigkeit“ der Naturwiedergabe in Ana-
tomie und Farbe steht es nicht anders; denn
1 5 Jahre hat man uns ununterbrochen bewie-
sen, diese seien unnötig, wenn nicht gar
schädlich. Und wenn wir auch nicht alles
schlankweg geglaubt haben, einiges davon ist
uns doch haften geblieben. Ob nun das Bein
einer Meerjungfrau zu lang geraten oder nicht,

Emmy Roeder / Stehendes Mädchen
Aus der Ausstellung der Galerie
Ferdinand Möller, Berlin


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