Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927
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Heft 23
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Eugen Spiro Kleiber dirigiert die »Entführung'
Ausstellung der Berliner Sezession in Paris
den Sammlungen Seligmann, Schnitzler,
Strauß und Burg.
Daß die Goldschmiedekunst in einer rheini-
schen Ausstellung besonders reich vertreten
ist, scheint nach der Stellung, die dieser Kunst-
zweig im Westen bis in das hohe Mittelalter
einnahm, selbstverständlich. Hier tritt für die
frühere Zeit wieder die Sammlung Seligmann
hervor; an ihren Schätzen läßt sich die ganze
Entwicklung vom frühen Goldschmuck mit
Steinen oder mit Zellenemail über die ver-
schiedenen Phasen des rheinischen Gruben-
emails bis zu den späten Stücken aus Limoges
ablescn. An sie schließt sich, soweit Gold-
schmiedearbeit in Frage kommt, die Samm-
lung Schnitzler an, die von den Limogesarbei-
ten ihren Ausgang nimmt. Sie enthält neben
einigen Plaketten und Kreuzen jener Werk-
statt einen großen emaillierten Buchdeckel,
ein fast kapriziös geformtes Weihrauchschiff-
chen und ein schönes frühes Reliquiar. Meh-
rere Reliquiare der Limousiner Werkstatt des
i3. Jahrhunderts besitzt übrigens auch Ott-
mar Strauß.
Hervorragend auch die Bronzen der Samm-
lung Seligmann, unter denen einige Löwen,
teils als Tragfiguren, teils als Aquamanile,
Leuchter verschiedener Form, unter ihnen ein
Simson, auf dem Löwen reitend, eine gravierte
Schüssel besonders hervorgehoben werden
müssen. Reizvoll ist auch das aus der Samm-
lung Stroganoff stammende Leuchterpaar mit
menschlichen Lichtträgern, das der Samm-
lung Strauß gehört.
Unter den Gemälden sah man zwei Kölnische
Meister als Eigentum der Sammlung v. Schnitz-
ler, verschiedene frühe Niederländer, Franzo-
sen, Italiener von guter Qualität; außerge-
wöhnlich sind zwei Stücke, die die Sammlung
Strauß neuerdings erwerben konnte: eine
große böhmische Madonna auf Goldgrund,um
i ,4oo, und die Anbetung der Könige vom Mei-
ster des Aachener Altars, jenes Bild, das durch
die darauf gefundene Kopie nach van Eyck
eine gewisse kunstgeschichtliche Berühmtheit
erlangt hat, das aber auch in Bildaufbau und
Farbbehandlung weit über den Durchschnitt
seiner Zeit herausragt.
Diese Ausstellung hat gezeigt, daß das Gefühl
für künstlerische Werte und die Freude am
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