Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0795
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Heft 24
DOI article:Giedion, Sigfried: Die Wohnung: ein Rückblick auf Stuttgart 1927
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Henri Matisse Pariser Herbstsalon 1927 Interieur
durchdringen können. Auch andere Einzelheiten verraten das Weitertreiben
der Entwicklung: die Metallstühle, die Marcel Breuer in Deutschland zuerst
durch formuliert hat, werden von Stam weiter gedacht: Metallstühle müssen nicht
auf vier Beinen stehen, Metallstühle kommen, ihrer Konstruktion nach, mit
zwei Beinen aus. Es wird dadurch eine zugleich sichere und dabei federnde
Art des Sitzens ermöglicht, wie wir sie bis jetzt nicht kannten.
Verfolgt man die Bewegung des neuen Bauens in Deutschland, so zeigt sich
von Anfang an, daß Leistungen, die einen systematischen Weiterausbau ge-
statten, weniger auf dem Gebiet des Wohnproblems als auf dem Gebiet des
Industriebaues liegen. Das spürt man auch an den Stuttgarter Formulie-
rungen. Die Fabrikbauten von Behrens (1907), die Gropius’schen Faguswerke
(1911), die Gropius’sche Fabrik der Kölner Werkbundausstellung 1914, mit
ihren später immer wiederholten gläsernen Treppenhäusern, sind wichtiger
als die gleichzeitigen Wohnhausbauten.
Es hat bereits um die Jahrhundertwende nicht an vorstoßenden Versuchen ge-
fehlt, die Wohnform entscheidend umzugestalten. Loos in Wien und die Darm-
städter Künstlerkolonie von 1 90 i mit Olbrich, Behrens bedeuten Anfänge. Aber
diese Antänge wurden sofort unter dem Einfluß der Werkstättenbewegungen
ins nuancemäßige Kunstgewerbliche umgebogen. Auch lassen sich etwa die
Darmstädter Versuche (1901) an prinzipieller W ichtigkeit nicht mit dem Perret-
schen Haus(i 905) in der Rue Franklin, Paris (Cicerone, Heit 1, i 927, Abb. S. 17)
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