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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

DOI Heft:
Sonderheft "Kunstliteratur" März 1927
DOI Artikel:
Göbel, Heinrich: Neue Literatur über deutsche Bildteppiche
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0817

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Die Arbeit B. Kurths, die erste auf breitester Grundlage gründlich und ge-
wissenhaft durchgeführte Geschichte des deutschen Bildteppichs im Mittelalter, ist
ein höchst bedeutsamer Merkstein auf dem weiten Gebiete der Teppichwirkerei, ein
glänzendes Zeugnis deutscher Forscherarbeit, unterstützt von einem Verlage, der in
der heutigen, dem wissenschaftlichen Buche nicht gerade günstigen Zeit, keine Mittel
scheute, den würdigen Rahmen zu schaffen, den Text durch das technisch einwand-
frei wiedergegebene Bild zu unterstreichen und zu vertiefen.
Luitpold Herzog in Bayern, Die fränkische Bildwirkerei. Mit 41 Tafeln
in Farbenlichtdruck und 14 einfarbigen Lichtdrucktafeln. Verlag Kurt Wolff,
München, Pantheon Casa Editrice Firenze 1926.
AS Werk Herzog Luitpolds, das einen Text- und einen Tafelband umfaßt, liegt in


J—/den Vorarbeiten eine Reihe von Jahren zurück; die Schwierigkeit der Zeitverhält-
nisse verzögerte die Herausgabe. Die Arbeit wählte, ähnlich der bekannten Veröffent-
lichung R- F. Burckhardts, ein scharf begrenztes Gebiet der deutschen mittelalterlichen
Bildteppichwirkerei, das den Vorzug besitzt, ikonographisch, stilistisch und technisch
ziemlich klar und sicher Umrissen zu sein. Die Ergebnisse decken sich im wesentlichen
mit den Feststellungen B. Kurths; die Gliederung des Stoffes weicht bei der „Frän-
kischen Bildwirkerei“ insofern ab, als der Verfasser nach zeitlichen Abschnitten,
weniger nach Ateliergruppen vorgeht, eine Methode, die gewisse Werkstättenzusam-
menhänge etwas verunklärt. ,
Eine kurz gefaßte Einleitung erläutert das Wesen des Wandteppichs im allge-
meinen, die Eigenart der deutschen Bildwirkerei im besonderen als Produkt des Klein-
betriebs, auf die Bedürfnisse des Bürgertums und des niederen Adels eingestellt, im Ge-
gensätze zu den prunkvollen Erzeugnissen der westlichen Wirker-Großzentren, die in
der Hauptsache auf höfischen Absatz angewiesen waren. Technik und Material werden
gestreift, mit tieferer Liebe nimmt sich der Verfasser der Eigenart der Farbengebung an.
Der Besprechung der Gruppen geht ein kurzer historischer Überblick — „Nürnberg
und Bamberg“ — vorauf, der die wenigen für die Bildwirkerei der beiden Städte bedeut-
samen, in der Hauptsache bereits bekannten urkundlichen Daten und Belege über-
mittelt. Jede Gruppe wird durch eine Erörterung eingeleitet, die im wesentlichen die
stilistischen Eigenarten der im „Katalog“ zusammengestellten Behänge in kurzem
Umriß im Anschluß an die betreffende Epoche der Nürnberger Tafelmalerei behandelt.
Die erste Gruppe umfaßt die fränkischen Behänge zwischen dem letzten Drittel
des 14. und der Mitte des 15. Jahrhunderts. Der Katalog ist mit großer Sorgfalt auf-
gestellt, die Beschreibung, insbesondere die Lesung der Schriftbänder, ist exakt; be-
merkenswert erscheinen die heraldischen und stilistischen Studien; die technischen
Beobachtungen bringen wertvolle Aufschlüsse; die Motive, die den entwerfenden
Kartonzeichnern zudiktiert werden, erscheinen mitunter anzweifelbar. Bedeutsam wäre
mir der Versuch erschienen, die große fränkische Gruppe nach technisch-stilistischen
Merkmalen einer weiteren Gliederung zu unterziehen; das Ergebnis dürfte voraus-
sichtlich die Abtrennung gewisser besonders charakteristischer Behänge — Thronende
Minne, Hostienwunder usw. — von der Bildwirkerei Nürnbergs und die Überweisung
an die Werkstätten Regensburgs in den Bereich der Möglichkeit ziehen. Nicht minder
wichtig erscheint mir der Versuch, die Wirkereien, im wesentlichen an Hand tech-
nischer Merkmale, soweit möglich, nach den verschiedenen Arten der Entstehung —
gewerbsmäßig betriebene Ateliers, Klosterwerkstätten, Erzeugnisse des Privathauses —
zu trennen, ein Verfahren, das mancherlei Unausgeglichenheiten und Eigenarten —
z. B. die ungewöhnlich starke Verwendung des Weiß in den Teppichen der Deichsler
— erklären dürfte, das z. T. bei der Besprechung der Werkstätten des Nürnberger
Katharinenklosters durchgeführt wurde.
Die zweite Gruppe umfaßt den Zeitabschnitt von, 1450 bis etwa 1475, die dritte
Abteilung die Spanne bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts. Der Verfasser behandelt,
ähnlich wie im ersten Abschnitt, die stilistische Weiterentwicklung, insbesondere in
Anlehnung an das Tafelbild, den Holzschnitt und Kupferstich; die Beobachtungen
sind sorgfältig, die Liebe zu dem Gegenstände der Besprechung leuchtet fast aus
jedem Satze. Die Kataloge sind, wie im ersten Teile, peinlich und gewissenhaft, zu
weiterer Arbeit auf dem Gebiete des fränkischen Teppichs vorzüglich geeignet. Der
Einfluß der Niederlande, nicht nur stilistisch, sondern vornehmlich auch technisch,
wird mehrfach gestreift. Der in Nürnberg besonders charakteristische, jahrzehnte-
lang dauernde, auf und ab wogende Kampf -— klösterliche Erzeugnisse, Produkte ge-
werbsmäßiger Werkstätten —, der letzten Endes zur Vernichtung der altüberkommenen

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