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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Sonderheft "Kunstliteratur" März 1927
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0822

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Antike — Altchristliche Kunst

Deutsche Kunst

Diese Vereinigung von Wort und Bild hilft
dem Laien, der Antike näher zu kommen.
Hildebrand Gurlitt.

Josef Cibulka. StarokresJanskä ikonogra-
fie a zobrazoväni ukrizovaneho. (Die Alt-
christliche Ikonographie und das Abbild
des Gekreuzigten.) Druzstvo Prätel Studia
v Praze (Verlag) 1924. (35 Abbildungen.
Prag 1924.)
Das Buch verdient über den engeren Be-
reich der Sprache hinaus, in der es ge-
schrieben ist, Beachtung. Eine streng iko-
nographische Untersuchung. Aber den Ge-
fahren früherer ikonographischer For-
schung, die so oft im Stoff stecken blieb,
durch eine geistige Durchdringung und
eine geistesgeschichtliche Einlagerung vor-
beugend. Cibulka sucht aus dem Stoff her-
aus die .Wechselbezüge mit der Form zu
erhellen. Hauptproblem des Buches: Die
Abbildung des Gekreuzigten in der alt-
christ'ichen Kunst. Die Tatsache, daß diese
Abbildung meist vermieden wurde, wurde
von der früheren Forschung als ein Beweis
der Kunstfeindlichkeit jener Epoche über-
haupt gedeutet. Cibulka unterscheidet : Nicht
der Kunst überhaupt, sondern dem Rea-
lismus war die symbolsüchtige Einstel-
lung jener Zeiten des frühen Christentums
feindlich gesinnt. Sehr interessant für diese
Thesen: neue Textinterpretationen der Kir-
chenväter. Das Abbild des Gekreuzigten
zwang aus der Sache heraus zu einem
krassen Realismus. Dieser ist es, nicht die
Kunst überhaupt —, gegen den jene Zeit
sich wendet. Alle aus der Antike stammen-
den Motive werden mit dem neuen Sym-
bolgehalt der christlichen Weltanschauung
gefüllt und als Kunst verwertet. Solchem
Kunstwollen fügt sich das Motiv des Ge-
kreuzigten nicht. Mit dem Augenblick aber,
als sich die dem Realismus feindliche Ein-
stellung wandelt, tritt auch das Abbild des
Gekreuzigten vollberechtigt, ja meistberech-
tigt in der Kunst des frühen Mittelalters
auf.
Da frühchristliche Kunst heute aus vie-
len Gründen besonders interessiert und da
des weiteren hier ein Beispiel ganz neuer
durchgeistigter ikonographischer Forschung
geboten wird —- Methode eines spirituellen
Realismus! —, wäre es bedauerlich, wenn
die Ergebnisse dieser wertvollen Arbeit
durch unzugängliche Sprache der europäi-
schen Forschung verschlossen blieben.
Schürer.

Sijnon Meller, Peter Vischer der Äl-
tere und seine Werkstatt. Leipzig.
Inselverlag 1925.
Dies Buch, dem 145 Abbildungen beige-

geben sind, ist eine Meisterleistung. Aus
langjähriger Beschäftigung mit den Pro-
blemen heraus hat Meller, dem die Ent-
deckung des hl. Christoph (Budapest, Dr.Del-
mär) verdankt wird, zu ihnen Stellung ge-
nommen und sie, wie mir wenigstens
scheint, soweit es sich um Fragen der
Scheidung der Hände und der zeitlichen
Einordnung handelt, richtig gelöst. Weit
über den Einzelfall hinaus ist dann sein
Nachweis von Bedeutung, daß sich der äl-
tere Peter bei der Gestaltung der Apostel
des Sebaldusgrabes nicht an die immerund
immer wieder vergeblich gesuchten italie-
nischen Vorbilder, sondern an frühgotische
angeschlossen hat. Sehr scharfsinnig ist
«eine Interpretation der Aktennotizen über
die Verhandlungen wegen der Weiterfüh-
rung der Arbeiten am Sebaldus,grabe als
Niederschlag eines Vorstoßes der Söhne
gegen den Vater (nur muß es S. 118 und 115
nicht Juni, sondern Januar heißen). Von
den Persönlichkeiten der Söhne runden
sich die Hermanns und Peters zu voller
Greifbarkeit und Individualität; ersterer ist
vor jallem in seiner Bedeutung als einer
der wichtigsten Bahnbrecher der Renais-
sance begriffen. Das Buch ist so gesättigt
von Ernst, Anschauung, Wissen und Er-
kenntnissen, so frei von allem Kunstge-
schwätz und aller Systemmacherei, daß man
es Gelehrten und Liebhabern nicht warm
genug empfehlen kann. An Einzelheiten
herumzumäkeln, erscheint unangebracht;
bedauern möchte ich nur, daß Meller, der
alles ihm Zweifelhafte dem Charakter der
Serie entsprechend fortgelassen hat, die von
Bode Peter Fischer u J. zugeschriebene
Frau in Kopenhagen zwar dem späterenHans
zuweist, aber noch nicht, wie das meines
Erachtens erforderlich ist, als wesentlich
später aus dem Werke der Hütte ausge-
schlossen hat.
Das Gelehrtenpech hat auch Meller nicht
verschont; kaum war sein Buch erschie-
nen, da tauchte bei der Versteigerung Leh-
mann in Paris die Herkules- und Antäus-
Gruppe auf, die das Bayerische National-
museum erwarb, und die ich im Münchener
Jahrbuch der bildenden Kunst 1926 s. 75ff.
veröffentlicht habe. Es kann keinem Zwei-
fel unterliegen, daß damit eine der bedeu-
tendsten Arbeiten der Vischerhütte neuge-
wonnen ist, die, wie ich glaube, dem älte-
ren Peter zuzuweisen ist. Dann müssen
aber zwei der theoretischen Grundanschau-
ungen Meilers über ihn zum mindesten mo-
difiziert werden: daß er nämlich frei von
allen italienischen Einflüssen als Paralleler-
scheinung zur dortigen Renaissance selb-
ständig eine deutsche Klassik erreichte, und
daß er nach den Innsbrucker Figuren künst-
lerisch überhaupt nicht mehr gearbeitet hat.

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