Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927
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Heft 13
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Oskar Kokoschka Kloveniersburgwall in Amsterdam. 1925
Neuerwerbung der Mannheimer Kunsthalle / Mit Genehmigung von Paul Cassirer, Berlin
bildnis Ilildcbrand-Grant von Hans von Ma-
rees zu erwerben, darf als besonderer Wertzu-
wachs bezeichnet werden. In diesem Bild hat
man auf kleiner Fläche konzentriert den Inbe-
griff dieses Schaffens: äußerste Intensität der
Form, dargestellt an einem menschlich ge-
stallvollen Dasein. Aus dem Gegeneinander
von Frontal und Profil die raumschaffende
Energie, die beiden Einzelnen in reifes Beiein-
ander geschlossen, umsponnen von dunkeltrei-
benden Leben. Was für unheimliche Kräfte hat
dies schwere Bingen doch in sich gesammelt!
Vom deutschen Impressionismus empfängt
man durch die neue Einteilung eine schöne
geschlossene Wirkung, vom späten Trübner
bis zum späten Corinth. Neues kam nur in
einem Stilleben von Lovis Corinth dazu:
„Stilleben mit Schinken“, aus einer hier noch
nicht vertretenen Epoche des Künstlers, und
aus diesem Gesichtspunkt der Vervollständi-
gung des Oeuvres sicher begrüßenswert: auf-
brechende Farben, zündendes Schwarz über
bleiernem Grau, schroffe Formwillkür im-
pressionistischen Zufalls,— als Ganzes weniger
geschlossen wirkend als manches Frühere und
Spätere, was hier hängt. Es ist ja immer wie-
der die Frage bei solchem Ausbau einer Zeit-
epoche, ob wir ihre kraftvollsten Erscheinun-
gen möglichst komplex hinstellen, oder ihre
komplexe Erscheinung möglichst vielseitig
darstellen sollen. Ersteres zeitigt Kompromisse
in schwächeren Stücken eines Meisters — wie
oft bei Corinth! —, letzteres droht ins Ufer-
lose zu versanden. Dennoch möchten wir hier
noch einige Erweiterung wünschen (Paul
Baum, Woldemar Bösler!).
Solche Erweiterungen könnten dann auch die
Berührungen des deutschen mit dem franzö-
sischen Impressionismus deutlicher zeigen,
und sei es auch nur, um die Verselbständigung
der deutschen Malerei hinter dem Impressio-
nismus um so drastischer zu beweisen. Jeden-
falls, die französische Folie wäre im Mannhei-
mer Franzosensaal in für Deutschland seltener
Vollständigkeit gegeben. In diesen Franzosen-
saal ist ein sehr schöner neuer Utrillo ge-
kommen, ein besonders gutes Stück dieses
merkwürdigen Malers, weniger passiv im Bau
als die üblichen, und in der Farbe von jener
schimmernden Köstlichkeit, die in Utrillo den
legitimen Erben französischer Meisterlichkeit
begrüßen läßt. Dazu ein guter neuer Vla-
minck. Kubismus fehlt noch ganz.
Dann die deutsche Abteilung. Da der Frühex-
pressionismus so wichtig wurde für die An-
lage der Sammlung unter Wiehert, muß-
ten zunächst dessen Wegbereiter aus Nord
und Süd repräsentativ dargestellt werden:
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