Architektur
land) in vielfachen Belegen vorhanden und
Swoboda eint nun die Einzelforschung zum
runden Bild.
Diese fortgeschrittenen Bauten sind auf
allen Seiten fassadenmäßig und für den
Fernblick behandelt: Der Grundriß von gro-
ßer, aber symmetrisch ausgeglichener
Kompliziertheit, mit manchmal fast rythmi-
schen Raumfolgen, läßt für den Betrachter
neuerer Kunstgeschichte den Vergleich mit
barocken Schlössern sofort lebendig wer-
den. Um so mehr, da das Hauptgebäude
von einer ganzen Allee achsial angeord-
neter Nebenbauten kulissenartig begleitet
wird, die den Blick von fernher in die Tiefe
leiten, ähnlich wie es Ludwig XIV. 1400
Jahre später in den Kavaliershäusem von
Marly ausgeführt hat.
Swoboda geht auf diese Übereinstimmun-
gen nicht ein. Tatsächlich scheinen hier
in den hochentwickelten Wohnformen nur
äußerliche Berührungspunkte zu liegen,
denn die weitere Entwicklung läuft in ganz
anderm Sinn: Es zeigt sich in späteren Bau-
ten (Villa zu Fließem, Mosaiks aus Tabar-
ca), daß die Risalittürme immer mächtiger
werden und, im Geviert angeordnet,
auf einen Gebäudeblock, auf ein Bau-
kristall, das in sich geschlossen ist, hin
tendieren. Dazu kommt, daß der Mittelteil
des Baus nicht mehr von den Portiken
überblendet wird, sondern Masse wird, in
den die Säulenstellungen versinken. An
Stelle der Architrave treten Arkaden, wo-
mit die strenge Tektonik von Stütze und
Last aufgehoben erscheint, und die Säulen-
stellungen bloß Mittel zur rhythmischen
Belebung des Gebäudeblocks werden. „Die
Stütze verliert ihre führende Stellung zu-
gunsten des Intervalls.“ (Die einzelnen!
Stockwerke stehen nicht mehr achsial über-
einander, sie werden zu rhythmischen Strei-
fen; auch hier Auflösung der strengen Tek-
tonik! Die Herrschaft der Wandfläche ist
damit gesichert. Die Wandfläche selbst wird
ohne durchgehende vertikale Gliederung
flächenmäßig behandelt. Wir befinden uns
in der anaturalistischen Stillinie ravenna-
tischer Mosaiken und in dem Gebiet der
frühmittelalterlichen Architektur eines The-
oderichpalastes.
Es ist uns nicht möglich, auch nur un-
gefähr, auf engem Raum die Fülle des Bu-
ches zu fassen. Doch können wir uns nicht
versagen, auf die glänzenden Architektur-
analysen hinzuweisen, die der Verfasser in
sein System einzugliedern versteht, von der
baulichen Zergliederung der Villa Hadriana
bei Tivoli, über den Diokletianspalast von
Spalato, bis zu der schönen Kühnheit, mit
der er in der Wartburg oder dem Fondaco
dei Turchi das Schema der spätrömischen
Portikusvilla mit Eckrisaliten gleichsam
„petrifiziert“ wiedererkennt. Swoboda
schließt mit einer kurzen Betrachtung der
Fassade des Stadtpalastes. Er betont die
Übereinstimmung des Cäeliushauses — ein-
heitliche Fassadenfläche, Einbeziehung der
Arkaden ins Gebäudemassiv — mit dem
späten Villenbau (Neues Material würden
jetzt wohl die Ausgrabungen in Ostia lie-
fern [vgl. Boll. dell’ arte 1923]) und sieht
in den toskanischen Kirchenfassaden der
Romantik das Weiterleben römischer Pa-
lastfassaden.
Nach all’ dem wäre zu wünschen, daß
Swoboda einmal die großen römischen
Baukomplexe (Thermen,Basiliken,Theater)
mit der gleichen Eindringlichkeit vornähme
und sie für die architektonische Erkenntnis
fruchtbar machte, wie er es mit dem Villen-
bau getan hat, den die etwas beschlagene
archäologische Brille erst dem kunsthisto-
rischen Blick überantworten mußte, um
ihren eigentlichen Sinn zu enthüllen.
Giedion.
Hans Christ, Romanische Kirchen
in Schwaben und Neckarfranken,
von der Karolingerzeit bis zu den Cister-
ciensern, I. Bd. (Tafeln). Hugo Mathaes-
Verlag. Stuttgart 1925.
Der Verfasser legt mit diesem Band den
I. Teil eines größeren, vierbändigen Werkes
vor, das nach Möglichkeit eine erschöp-
fende Bearbeitung der romanischen Bau-
kunst in Schwaben und im Neckargebiet
von etwa 800 bis gegen das Jahr 1150 brin-
gen soll. Ein Bestand von über 40 Bau-
denkmälern wird auf 181 großen Abbildun-
gen in Gesamtansichten und einigen wich-
tigenDetailaufnahmen dargeboten. Was den
besonderen Wert dieses Bandes ausmacht,
ist einmal das völlig neue Material an Ab-
bildungen, die eine Reihe von bisher un-
veröffentlichten Kirchen enthalten, und
dann die Sorgfalt und Sachlichkeit, mit der
das Bauwerk umschritten und in seinen
wichtigsten alten Ansichten festgehalten
wird. Dem Band kommt daher in seiner
restlosen Erfassung des vorhandenen Denk-
mälerbestandes gleichzeitig eine topogra-
phische Bedeutung zu. Das Abbildungsver-
zeichnis ist mit einigen schlagwortartigen
Bemerkungen zur Baugeschichte und sti-
listischen Hinweisen versehen, aus denen
bereits manches neue Resultat erhellt, des-
sen Begründung der Verfasser den weiteren
Bänden vorbehält. Die folgenden Abschnitte
des Werkes sollen zunächst die Risse und
Schnitte der Kirchen, die baugeschicht-
lichen Monographien und zuletzt die allge-
meine Entwicklungsgeschichte bringen.
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land) in vielfachen Belegen vorhanden und
Swoboda eint nun die Einzelforschung zum
runden Bild.
Diese fortgeschrittenen Bauten sind auf
allen Seiten fassadenmäßig und für den
Fernblick behandelt: Der Grundriß von gro-
ßer, aber symmetrisch ausgeglichener
Kompliziertheit, mit manchmal fast rythmi-
schen Raumfolgen, läßt für den Betrachter
neuerer Kunstgeschichte den Vergleich mit
barocken Schlössern sofort lebendig wer-
den. Um so mehr, da das Hauptgebäude
von einer ganzen Allee achsial angeord-
neter Nebenbauten kulissenartig begleitet
wird, die den Blick von fernher in die Tiefe
leiten, ähnlich wie es Ludwig XIV. 1400
Jahre später in den Kavaliershäusem von
Marly ausgeführt hat.
Swoboda geht auf diese Übereinstimmun-
gen nicht ein. Tatsächlich scheinen hier
in den hochentwickelten Wohnformen nur
äußerliche Berührungspunkte zu liegen,
denn die weitere Entwicklung läuft in ganz
anderm Sinn: Es zeigt sich in späteren Bau-
ten (Villa zu Fließem, Mosaiks aus Tabar-
ca), daß die Risalittürme immer mächtiger
werden und, im Geviert angeordnet,
auf einen Gebäudeblock, auf ein Bau-
kristall, das in sich geschlossen ist, hin
tendieren. Dazu kommt, daß der Mittelteil
des Baus nicht mehr von den Portiken
überblendet wird, sondern Masse wird, in
den die Säulenstellungen versinken. An
Stelle der Architrave treten Arkaden, wo-
mit die strenge Tektonik von Stütze und
Last aufgehoben erscheint, und die Säulen-
stellungen bloß Mittel zur rhythmischen
Belebung des Gebäudeblocks werden. „Die
Stütze verliert ihre führende Stellung zu-
gunsten des Intervalls.“ (Die einzelnen!
Stockwerke stehen nicht mehr achsial über-
einander, sie werden zu rhythmischen Strei-
fen; auch hier Auflösung der strengen Tek-
tonik! Die Herrschaft der Wandfläche ist
damit gesichert. Die Wandfläche selbst wird
ohne durchgehende vertikale Gliederung
flächenmäßig behandelt. Wir befinden uns
in der anaturalistischen Stillinie ravenna-
tischer Mosaiken und in dem Gebiet der
frühmittelalterlichen Architektur eines The-
oderichpalastes.
Es ist uns nicht möglich, auch nur un-
gefähr, auf engem Raum die Fülle des Bu-
ches zu fassen. Doch können wir uns nicht
versagen, auf die glänzenden Architektur-
analysen hinzuweisen, die der Verfasser in
sein System einzugliedern versteht, von der
baulichen Zergliederung der Villa Hadriana
bei Tivoli, über den Diokletianspalast von
Spalato, bis zu der schönen Kühnheit, mit
der er in der Wartburg oder dem Fondaco
dei Turchi das Schema der spätrömischen
Portikusvilla mit Eckrisaliten gleichsam
„petrifiziert“ wiedererkennt. Swoboda
schließt mit einer kurzen Betrachtung der
Fassade des Stadtpalastes. Er betont die
Übereinstimmung des Cäeliushauses — ein-
heitliche Fassadenfläche, Einbeziehung der
Arkaden ins Gebäudemassiv — mit dem
späten Villenbau (Neues Material würden
jetzt wohl die Ausgrabungen in Ostia lie-
fern [vgl. Boll. dell’ arte 1923]) und sieht
in den toskanischen Kirchenfassaden der
Romantik das Weiterleben römischer Pa-
lastfassaden.
Nach all’ dem wäre zu wünschen, daß
Swoboda einmal die großen römischen
Baukomplexe (Thermen,Basiliken,Theater)
mit der gleichen Eindringlichkeit vornähme
und sie für die architektonische Erkenntnis
fruchtbar machte, wie er es mit dem Villen-
bau getan hat, den die etwas beschlagene
archäologische Brille erst dem kunsthisto-
rischen Blick überantworten mußte, um
ihren eigentlichen Sinn zu enthüllen.
Giedion.
Hans Christ, Romanische Kirchen
in Schwaben und Neckarfranken,
von der Karolingerzeit bis zu den Cister-
ciensern, I. Bd. (Tafeln). Hugo Mathaes-
Verlag. Stuttgart 1925.
Der Verfasser legt mit diesem Band den
I. Teil eines größeren, vierbändigen Werkes
vor, das nach Möglichkeit eine erschöp-
fende Bearbeitung der romanischen Bau-
kunst in Schwaben und im Neckargebiet
von etwa 800 bis gegen das Jahr 1150 brin-
gen soll. Ein Bestand von über 40 Bau-
denkmälern wird auf 181 großen Abbildun-
gen in Gesamtansichten und einigen wich-
tigenDetailaufnahmen dargeboten. Was den
besonderen Wert dieses Bandes ausmacht,
ist einmal das völlig neue Material an Ab-
bildungen, die eine Reihe von bisher un-
veröffentlichten Kirchen enthalten, und
dann die Sorgfalt und Sachlichkeit, mit der
das Bauwerk umschritten und in seinen
wichtigsten alten Ansichten festgehalten
wird. Dem Band kommt daher in seiner
restlosen Erfassung des vorhandenen Denk-
mälerbestandes gleichzeitig eine topogra-
phische Bedeutung zu. Das Abbildungsver-
zeichnis ist mit einigen schlagwortartigen
Bemerkungen zur Baugeschichte und sti-
listischen Hinweisen versehen, aus denen
bereits manches neue Resultat erhellt, des-
sen Begründung der Verfasser den weiteren
Bänden vorbehält. Die folgenden Abschnitte
des Werkes sollen zunächst die Risse und
Schnitte der Kirchen, die baugeschicht-
lichen Monographien und zuletzt die allge-
meine Entwicklungsgeschichte bringen.
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