den „stillen Westfalen“ vorgestellt, und das
Publikum, das seine Kunst aus ihrer ganzen
Schwere und 1 iefgründigkeit zu begreifen sich
müht, ist gern bei der anscheinend sehr
passenden Vokabel geblieben. In seinem
Äuberen, Gesidrtsbildung, seinem verschlossenen
und anspruchslosen Wesen ähnelte er dem
Vater, weniger der Mutter, wogegen er bei
der Mutter schon als Knabe mehr Unterstübung
fand für seine Neigungen, die sidi früh schon
regten. Lehmbruck war ein sehr ruhiger und
sdieinbar schwer zugänglicher Mensch. Er hatte
die Wortkargheit aller hart arbeitenden: des
Bauern oder des Bergmanns an sich. Es war
keineswegs Zugeknöpftheit, was ihn hindert e,
aus sidr herauszugehen. Von Natur aus
sdiien er darauf angelegt, den Menschen ent-
gegenzukommen. Er hörte sie gern und mit
herzlicher Anteilnahme an, er nahm Interesse an
anderen, verfolgte mit Aufmerksamkeit alle
Bestrebungen der Zeit. Aber er sprach nur, wenn
er ein festes LIrteil sidi gebildet hatte und gab
dann in einem halblaut hingeworfenen Wort mehr
als andere, die packende Reden aus sich heraus-
sprudeln. Er muhte dem, der ihn näher kannte,
sogar als ein guter Zuhörer erscheinen. Er trug,
was man ihm sagte, mit sich herum, sebte sich
damit auseinander, nahm eben Rede und Gegen-
rede so ernst wie alles sonst, was er ergriff.
Lehmbruck hat nur die Volksschule besucht,
sein Wissen war durch Selbststudium und aus
der Erfahrung des Lebens erworben. Schon
als 12 oder 13jähriger zeigte er auffallend
zeichnerisches Können, gleichzeitig die Neigung,
mit dem Taschenmesser in Gips — zunächst
vorwiegend Miniatur-Büsten u. dergl. — zu
sdmiben. Ob irgendwie früher einmal in der
Familie „Bauernkunst“ oder dergleichen getrieben
worden ist, läbt sidi nicht mehr feststellen.
Irgendweldie Anhaltspunkte dafür sind jedenfalls
nicht vorhanden. Es ist wohl ein natürlicher
Spieltrieb gewesen, der sidi in dem Jungen
auswirkfe, der in seiner häuslichen und länd-
lichen Umgebung sicherlidi nie etwas von Kunst
oder gar von Bildhauerei zu hören bekam.
Bald madite er sich audi an gröbere Sachen.
Vorlagen waren ihm die primitiven Abbildungen
seines Volksschullesebudnes — andere Abbil-
dungen von Bildhauerarbeiten kamen ihm wohl
kaum zu Gesidit. So entstanden eine Germania
nadi dem Niederwalddenkmal, eine Lutherstatue,
Ritter usw. Dabei war er, wie der Bruder meint,
durchaus nicht bescheiden in seinem Wollen.
Wenn er z. B. von einem geplanten gröberen
Denkmal las, zeichnete er oft in einem gröberen
bormat mit Hauptfiguren und mehreren flan-
kierenden Gestalten einen Entwurf des Denkmals
auf, so wie er sich es etwa dachte. Mehrere
soldier Entwürfe sind dem Bruder noch in
Erinnerung. Seine erste „Hauptarbeit“ als
14jähriger Junge war eine Kopie, wenn man
es so nennen will, des Sdiliiterschen «Groben
Kurfürsten», der auch in seinem Lesebuch ab-
gebildet war. ln monatelanger mühseliger Arbeit
schnibte er den «Groben Kurfürsten» aus einem
Gipsblock heraus vom Modellieren hatte er
damals noch keine Ahnung, sicherlicfi wubte er
auch nicht, dab man dergleichen überhaupt
modellieren könne. Eine andere Vorlage als die
Abbildung im Lesebuch soll er bestimmt nicht
gehabt haben. Er mubte also das Flächenbild,
das ja nur eine Ansicht gab, wieder in eine
Plastik zuriideüberseben und von sidi aus ge-
wissermaben die Körperlichkeit von Rob und
Reiter hinzuerfinden, eine Fähigkeit, die riditig
einzuschäben nur ein Bildhauer in der Lage
sein dürfte. Diese Schniberei ist, wenn auch
sehr besdiädigt, noch vorhanden. „Als ich
später“, bemerkt der Bruder, „Gelegenheit hatte,
in Berlin das Original zu sehen, war ich erstaunt,
welch fabelhaftes Gefühl für die Eigenart des
Denkmals er schon damals entwickelt und wie
er sich in das Typische des Schliiterschen Werkes
(der schwere Leib des Pferdes und des Reiters)
hineingefühlt hatte.“ Hilfsmittel hatte er dabei
keine. Auch hatte er noch nie die Gelegenheit
gehabt, ein Reiterdenkmal zu sehen, selbst
nicht, was ja nahe läge, den «Jan Wellern»
des benachbarten Düsseldorf, Man kann schon
sagen, dab lediglich die Vorlage in seinem
Lesebuch ihn zu seinem plastischen Versuch an-
geregt hat. Auch später, als er als junger
Akademiker im Auftrag einer Düsseldorfer
Kunsthandlung nun wirklich eine verkleinerte
Kopie des «Jan Wellern» zu machen hatte, sprach
er noch mit Vergnügen von dieser Jungensarbeit.
Durch diese und andere Arbeiten war ein
Lehrer seiner Schule: Herr van Diepenbroeck,
Publikum, das seine Kunst aus ihrer ganzen
Schwere und 1 iefgründigkeit zu begreifen sich
müht, ist gern bei der anscheinend sehr
passenden Vokabel geblieben. In seinem
Äuberen, Gesidrtsbildung, seinem verschlossenen
und anspruchslosen Wesen ähnelte er dem
Vater, weniger der Mutter, wogegen er bei
der Mutter schon als Knabe mehr Unterstübung
fand für seine Neigungen, die sidi früh schon
regten. Lehmbruck war ein sehr ruhiger und
sdieinbar schwer zugänglicher Mensch. Er hatte
die Wortkargheit aller hart arbeitenden: des
Bauern oder des Bergmanns an sich. Es war
keineswegs Zugeknöpftheit, was ihn hindert e,
aus sidr herauszugehen. Von Natur aus
sdiien er darauf angelegt, den Menschen ent-
gegenzukommen. Er hörte sie gern und mit
herzlicher Anteilnahme an, er nahm Interesse an
anderen, verfolgte mit Aufmerksamkeit alle
Bestrebungen der Zeit. Aber er sprach nur, wenn
er ein festes LIrteil sidi gebildet hatte und gab
dann in einem halblaut hingeworfenen Wort mehr
als andere, die packende Reden aus sich heraus-
sprudeln. Er muhte dem, der ihn näher kannte,
sogar als ein guter Zuhörer erscheinen. Er trug,
was man ihm sagte, mit sich herum, sebte sich
damit auseinander, nahm eben Rede und Gegen-
rede so ernst wie alles sonst, was er ergriff.
Lehmbruck hat nur die Volksschule besucht,
sein Wissen war durch Selbststudium und aus
der Erfahrung des Lebens erworben. Schon
als 12 oder 13jähriger zeigte er auffallend
zeichnerisches Können, gleichzeitig die Neigung,
mit dem Taschenmesser in Gips — zunächst
vorwiegend Miniatur-Büsten u. dergl. — zu
sdmiben. Ob irgendwie früher einmal in der
Familie „Bauernkunst“ oder dergleichen getrieben
worden ist, läbt sidi nicht mehr feststellen.
Irgendweldie Anhaltspunkte dafür sind jedenfalls
nicht vorhanden. Es ist wohl ein natürlicher
Spieltrieb gewesen, der sidi in dem Jungen
auswirkfe, der in seiner häuslichen und länd-
lichen Umgebung sicherlidi nie etwas von Kunst
oder gar von Bildhauerei zu hören bekam.
Bald madite er sich audi an gröbere Sachen.
Vorlagen waren ihm die primitiven Abbildungen
seines Volksschullesebudnes — andere Abbil-
dungen von Bildhauerarbeiten kamen ihm wohl
kaum zu Gesidit. So entstanden eine Germania
nadi dem Niederwalddenkmal, eine Lutherstatue,
Ritter usw. Dabei war er, wie der Bruder meint,
durchaus nicht bescheiden in seinem Wollen.
Wenn er z. B. von einem geplanten gröberen
Denkmal las, zeichnete er oft in einem gröberen
bormat mit Hauptfiguren und mehreren flan-
kierenden Gestalten einen Entwurf des Denkmals
auf, so wie er sich es etwa dachte. Mehrere
soldier Entwürfe sind dem Bruder noch in
Erinnerung. Seine erste „Hauptarbeit“ als
14jähriger Junge war eine Kopie, wenn man
es so nennen will, des Sdiliiterschen «Groben
Kurfürsten», der auch in seinem Lesebuch ab-
gebildet war. ln monatelanger mühseliger Arbeit
schnibte er den «Groben Kurfürsten» aus einem
Gipsblock heraus vom Modellieren hatte er
damals noch keine Ahnung, sicherlicfi wubte er
auch nicht, dab man dergleichen überhaupt
modellieren könne. Eine andere Vorlage als die
Abbildung im Lesebuch soll er bestimmt nicht
gehabt haben. Er mubte also das Flächenbild,
das ja nur eine Ansicht gab, wieder in eine
Plastik zuriideüberseben und von sidi aus ge-
wissermaben die Körperlichkeit von Rob und
Reiter hinzuerfinden, eine Fähigkeit, die riditig
einzuschäben nur ein Bildhauer in der Lage
sein dürfte. Diese Schniberei ist, wenn auch
sehr besdiädigt, noch vorhanden. „Als ich
später“, bemerkt der Bruder, „Gelegenheit hatte,
in Berlin das Original zu sehen, war ich erstaunt,
welch fabelhaftes Gefühl für die Eigenart des
Denkmals er schon damals entwickelt und wie
er sich in das Typische des Schliiterschen Werkes
(der schwere Leib des Pferdes und des Reiters)
hineingefühlt hatte.“ Hilfsmittel hatte er dabei
keine. Auch hatte er noch nie die Gelegenheit
gehabt, ein Reiterdenkmal zu sehen, selbst
nicht, was ja nahe läge, den «Jan Wellern»
des benachbarten Düsseldorf, Man kann schon
sagen, dab lediglich die Vorlage in seinem
Lesebuch ihn zu seinem plastischen Versuch an-
geregt hat. Auch später, als er als junger
Akademiker im Auftrag einer Düsseldorfer
Kunsthandlung nun wirklich eine verkleinerte
Kopie des «Jan Wellern» zu machen hatte, sprach
er noch mit Vergnügen von dieser Jungensarbeit.
Durch diese und andere Arbeiten war ein
Lehrer seiner Schule: Herr van Diepenbroeck,