nicht noch weiter zurückführen lielje. Der Keim
jedes Kunstwerks ist ein Erlebnis des Künstlers.
Trägt das Erlebnis, aus dem ein Werk der an-
gewandten Künste entspringt, schon ein Merk-
mal, das es vom Erlebnis des bildenden Künstlers
untersdreidet? Dürfen wir sagen, Festhaltung eines
äuheren Seherlebnisses, einer in der „wirklichen"
Körperwelt erlebten Begegnung sei das Werk
der darstellenden Künste, Ausfluh eines inneren,
„unwirklidien" Sdiauens das der angewandten?
ln bedingter Weise, ja. Zwar nur eine natura-
listisch-darstellende Kunst strebt nach unmittel-
barer Wiedergabe eines wirklidren Seherlebnisses,
alle andern Strömungen in den darstellenden
Künsten geben nur Brudrstückc aus ihren wirk-
lidien Seherlebnissen wieder, verarbeitet und zu
neuen Gebilden vereint. Aber es sind doch immer
Gesichtsanregungen, die am Ursprünge des dar-
stellenden Kunstwerks stehen, und darstellender
Künstler ist der, dem Sidrtbares sidr aufdrängt
mit dem stürmisch« Schrei nadi Festhaltung,
nadr Verewigung. Der Ardiitekt und der Tek-
toniker bleibt zwar — das wissen wir wohl —
nicht unberührt von den Bauten und Möbeln,
die er gesehen. Ihm unbewuht, werden diese
gesehenen Gegenstände gowih auch mifwirken zum Werke, das er erfinden wird. Sein eigentlidres
Erlebnis aber ist ein rein innerliches Sehen; ohne optischen Reiz von auhen, schafft seine Ein-
bildungskraft das Flaus, das er zeichnend zuerst, dann bauend, zum Allen sichtbaren Kunstwerk
vollendet. Diese Grenze, die wir vom Ursprung des Kunstwerks bis zu seiner Verwirklidrung
verfolgen konnten, dürfen wir wohl damit als deutlidr gezogen, als gültig erachten. Sie gibt sidn
nidit äuljerlidi, offensidrtlich sfofflidi zu erkennen: sie liegt vielmehr in der inneren Bestimmtheit
des Werkes, in der Absidit, mit der sein Urheber es schuf.
Ein ganz sinnfällig stofflicher Unterschied scheint dagegen die beiden darstellenden Künste
von einander zu trennen. Ohne viel Kopfzerbrechen glaubt ihn die landläufige Auffassung
festlegen zu können. Ihr gilt Malerei als diejenige Darstellung der Körperwelt, die sich zwei-
dimensional, Bildhauerei aber als die, so sidi dreidimensional ausdrückt. Es fragt sich nun, ob
wir uns mit dieser Bestimmung begnügen dürfen. Was bedeutet eigentlidi dieser Unfersdiied von
Zwei- und Dreidimensionalität? Etwa Sdiein und Wirklichkeit? Sicherlidi nicht: dieser Mar-
morblock ist doch, in Bezug auf das Dargesfellfe, so wenig ein „wirklidier" Mann als diese
Leinwand. Stofflich betrachtet, ist die Leinwand so wirklich wie der Marmor, als die Darstellung
„Mann" aber sind beide Schein, sind Kunstgegenstände, die nur einen Mann darstellen.
Beide wollen einzig beim Beschauer das Bild eines Mannes hervorrufen. Der wahre Unter-
schied liegt denn auch nidrt da. Nicht der dargestellte Gegenstand ist hier Wirklidrkeit,
dort Schein, sondern nur das Licht. Das Licht ist wirklich im dreidimensionalen Schein nur
im zweidimensionalen Bildwerk. Jener ist ein körperlicher Gegenstand, um den das wirklidre
Lidit spielt. Die Arbeit des „Bildhauers" besteht also darin, einen Gegenstand zu sdiaffen,
auf dem das wirkliche Lidit sich so objektiviere, dah diese Wechselverwirklidiung von Form und
Lidrt das zu verewigende Erlebnis des Künstlers als Kunstwerk verdinglidrt. Ganz anders der
„Maler". Er ist gezwungen, das Licht zu „malen", das heifd es vorzutäuschen durdr den
jedes Kunstwerks ist ein Erlebnis des Künstlers.
Trägt das Erlebnis, aus dem ein Werk der an-
gewandten Künste entspringt, schon ein Merk-
mal, das es vom Erlebnis des bildenden Künstlers
untersdreidet? Dürfen wir sagen, Festhaltung eines
äuheren Seherlebnisses, einer in der „wirklichen"
Körperwelt erlebten Begegnung sei das Werk
der darstellenden Künste, Ausfluh eines inneren,
„unwirklidien" Sdiauens das der angewandten?
ln bedingter Weise, ja. Zwar nur eine natura-
listisch-darstellende Kunst strebt nach unmittel-
barer Wiedergabe eines wirklidren Seherlebnisses,
alle andern Strömungen in den darstellenden
Künsten geben nur Brudrstückc aus ihren wirk-
lidien Seherlebnissen wieder, verarbeitet und zu
neuen Gebilden vereint. Aber es sind doch immer
Gesichtsanregungen, die am Ursprünge des dar-
stellenden Kunstwerks stehen, und darstellender
Künstler ist der, dem Sidrtbares sidr aufdrängt
mit dem stürmisch« Schrei nadi Festhaltung,
nadr Verewigung. Der Ardiitekt und der Tek-
toniker bleibt zwar — das wissen wir wohl —
nicht unberührt von den Bauten und Möbeln,
die er gesehen. Ihm unbewuht, werden diese
gesehenen Gegenstände gowih auch mifwirken zum Werke, das er erfinden wird. Sein eigentlidres
Erlebnis aber ist ein rein innerliches Sehen; ohne optischen Reiz von auhen, schafft seine Ein-
bildungskraft das Flaus, das er zeichnend zuerst, dann bauend, zum Allen sichtbaren Kunstwerk
vollendet. Diese Grenze, die wir vom Ursprung des Kunstwerks bis zu seiner Verwirklidrung
verfolgen konnten, dürfen wir wohl damit als deutlidr gezogen, als gültig erachten. Sie gibt sidn
nidit äuljerlidi, offensidrtlich sfofflidi zu erkennen: sie liegt vielmehr in der inneren Bestimmtheit
des Werkes, in der Absidit, mit der sein Urheber es schuf.
Ein ganz sinnfällig stofflicher Unterschied scheint dagegen die beiden darstellenden Künste
von einander zu trennen. Ohne viel Kopfzerbrechen glaubt ihn die landläufige Auffassung
festlegen zu können. Ihr gilt Malerei als diejenige Darstellung der Körperwelt, die sich zwei-
dimensional, Bildhauerei aber als die, so sidi dreidimensional ausdrückt. Es fragt sich nun, ob
wir uns mit dieser Bestimmung begnügen dürfen. Was bedeutet eigentlidi dieser Unfersdiied von
Zwei- und Dreidimensionalität? Etwa Sdiein und Wirklichkeit? Sicherlidi nicht: dieser Mar-
morblock ist doch, in Bezug auf das Dargesfellfe, so wenig ein „wirklidier" Mann als diese
Leinwand. Stofflich betrachtet, ist die Leinwand so wirklich wie der Marmor, als die Darstellung
„Mann" aber sind beide Schein, sind Kunstgegenstände, die nur einen Mann darstellen.
Beide wollen einzig beim Beschauer das Bild eines Mannes hervorrufen. Der wahre Unter-
schied liegt denn auch nidrt da. Nicht der dargestellte Gegenstand ist hier Wirklidrkeit,
dort Schein, sondern nur das Licht. Das Licht ist wirklich im dreidimensionalen Schein nur
im zweidimensionalen Bildwerk. Jener ist ein körperlicher Gegenstand, um den das wirklidre
Lidit spielt. Die Arbeit des „Bildhauers" besteht also darin, einen Gegenstand zu sdiaffen,
auf dem das wirkliche Lidit sich so objektiviere, dah diese Wechselverwirklidiung von Form und
Lidrt das zu verewigende Erlebnis des Künstlers als Kunstwerk verdinglidrt. Ganz anders der
„Maler". Er ist gezwungen, das Licht zu „malen", das heifd es vorzutäuschen durdr den