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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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Poritzky, Jakob E.: Ben Johnson
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0247

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BEN JOHNSON.
J. E. P o r i fe k y.

INE junge Dame namens Margarethe Mauthner hat im Jahre 1912 den nicht
gerade alltäglidren Einfall gehabt, die Dramen Ben Johnsons in neuer deutscher
Übertragung herauszugeben. Ben Johnson? denkt man. War das nicht
„der berühmte Zeitgenosse Shakespeares“? Jener furchtbar gelehrte Spieß-
bürger, der vom Wirbel bis zur Zehe pedantisdr, neidisdr und kleinlidi war?
Seine Dramen? Wozu und warum?
Literaturgeschidifen her! . . .
Ja, es ist eben derselbe Ben Johnson. Aber man sagt sidr, daß alle diese menschlichen
Eigensdiaften, die gegen ihn spredien, kein Beweis dafür sind, daß er nicht audr ein bedeutender
Dichter gewesen sein könne. Also lesen wir in drei Teufels Namen seine Stücke, an denen wir
uns sonst immer vorbeigedrückt haben.
Indes, man mag sidr nodr so sehr bemühen, von Ben Johnson kann man nidrt spredien, ohne
fortwährend an Shakespeare zu denken. Nidrt nur weil die äußeren Lebenssdricksalc beider
Didrter reidre Analogien ergeben, sondern einfach aus dem Grunde, weil man einen Stern nidrt
besdrreiben kann, ohne seine Stellung zur Sonne unbeachtet zu lassen. Jede Betradrtung Ben
Johnsons wird in eine Hymne auf Shakespeare ausklingen, denn troß aller Ähnlichkeit des
Lebensweges sind beide nidrt inniger verwandt als der Adler und der Sperling.
In demselben Jahre wie Shakespeare madrte Ben Johnson den ersten Vcrsudr, das römische
Altertum dramatisdr zu beleben. 1601 wurde sein Schauspiel »The poetaster« aufgeführt, im
wesentlichen ein literarisdres Pasquill, das gegen die Satiriker und Panrphletisten Marsten und
Dekker gerichtet war. Die Handlung spielte zu Kaiser Augustins Zeiten und wollte neben der
Satire auf die zeitgenössisdre Literatur zugleich ein großes Gemälde der altrömischen Sitten geben.
Wie Shakespeare seinem »Julius Cäsar« zwei andere Tragödien aus dem alten Rom folgen
ließ, »Antonius und Kleopatra« und »Coriolanus«, so schrieb audr Ben Johnson nodr zwei
römisdre Dramen: »Sejan« und »Catilina«.
Andere Stücke von ihm, z. B. »Volpone oder der Fudrs« oder »Der Bartholomäusmarkt«
würden vielleidrt nodr heute auf der Bühne ihre Wirkung üben, wenn man den Staub fortwischte,
den die Jahrhunderte darauf geschichtet haben. Ohne diese Entstaubung geht allerdings audr
mandres, was Shakespeare geschrieben hat, dem Empfinden der Mcnsdren des 20. Jahrhunderts
nidrt so restlos ein, wie viele Leute tun. Wenn man die Massensuggestion und die Ehrfurdrt
vor dem Namen in Abzug bringt, wird man sich ehrlidr sagen müssen, daß es in manchem
Shakespearesdren Stück lange Strecken gibt, die uns nidrt das geringste mehr sagen und nidrts
mehr bedeuten können. Viele unterdrücken nur das Gähnen, weil man eben in Gesellschaft eines
Genies nidrt gähnt. Nidrtsdestoweniger langweilt man sich; mit dem Unterschiede, daß man bei
Shakespeare eben das als „Patina des Alters“ bezeidrnet, was man bei minder großen Geistern
ganz einfadr „Staub“ nennt.
Ben Johnson wurde 1573 geboren'; war also neun Jahre jünger als Shakespeare; während
der „Schwan von Avon“ aber auf dem Lande aufwudrs, war Ben Johnson ein Stadtkind. Mit
zwei Jahren bekommt er einen Maurermeister zunr Stiefvater, der ihm eine ausgezeidrnete Er-
ziehung zuteil werden läßt. Er wird auf die Wesfminsfer-Sduile gesdrickf, wo er in die klassischen
Literaturen eingeweiht wird und wo man ihn lehrt, alles was er in Versen auszudrücken beab-
sichtigt, zuerst in Prosa niederzuschreiben. Sdion in der Schule wurde also jener gelehrte Poet


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